Junge Debatte

Der vierte „nationale Dialog“ in Saudi-Arabien widmet sich der Situation und Zukunft der Jugendlichen

DSCHIDDAH taz ■ In Saudi-Arabien ist am Freitag der vierte und letzte so genannte nationale Dialog zu Ende gegangen. Drei Tage lang diskutierten 62 vornehmlich junge Leute und etwa 40 Intellektuelle aus dem ganzen Land in der Stadt Dahran über das Thema Jugend. Die früheren Diskussionsforen, die seit Juni 2003 auf Anregung von Kronprinz Abdallah stattfanden, befassten sich mit Fragen der Religion, den Probleme des Alltags und der Situation der Frauen.

Bei der viertägigen Debatte ging es teilweise hoch her. Umstritten war vor allem das Staatsbürgerschaftsrecht. Dabei geht es angesichts der Immigration um das Problem von Bürgern erster und zweiter Klasse. Frauen forderten erneut das Recht, Auto fahren zu dürfen. Andere Teilnehmer fragten sich, ob wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in Saudi-Arabien jemals zustande kommen würden. Wie schon bei den vorausgegangenen Runden wurde es als positiv eingeschätzt, dass in diesem Rahmen erstmals überhaupt über Kernprobleme der saudischen Gesellschaft öffentlich diskutiert wurde.

Die Frauen saßen allerdings in einem eigenen Raum und mischten sich über Lautsprecher in die Debatten ein. Ahmad und Amir, zwei junge Teilnehmer, meinten, dass „die Frauen sich so freier und lockerer verhalten können“. Auf die Frage, ob sie nicht auch frei und locker zusammen mit Männern reden könnten, lautete die sichtlich unwillige Antwort: „Wenn es unsere religiösen Führer erlauben würden, könnten wir nichts dagegen einwenden.“

Die abschließend formulierten Empfehlungen, die keinen bindenden Charakter haben, drehten sich vor allem um mangelhaften Unterricht in den Schulen und, damit verbunden, die schlechten Möglichkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das sind zentrale Probleme in einem Land, in dem 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 20 Jahre und 40 Prozent unter 15 sind. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 8 Prozent; inoffizielle Schätzungen gehen von 30 Prozent aus.

Vor allem die Schulbildung ist ein Thema, das immer wieder für Kontroversen sorgt. Nach dem 11. September 2001 gab es viel Kritik, auch aus den USA, die bemängelten, dass es zu viel Religionsunterricht gebe und der Hass auf andere Konfessionen gefördert werde. Doch schon seit Jahren kritisieren auch saudische Wirtschaftskreise die mangelnde schulische Ausbildung der Jugend, ohne dass daraus jemals Konsequenzen gezogen wurden.

Die jungen Leute stießen mit ihren Forderungen in das gleiche Horn: Sie verlangten eine „Förderung des wissenschaftlichen und intellektuellen Denkens“, die Entwicklung eines neuen Bildungsprogramms vor allem im Hinblick auf die demografischen Veränderungen, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer sowie ein verstärktes Interesse an der wissenschaftlichen Forschung. Angesprochen wurden auch gesellschaftliche Probleme wie der hohe Brautpreis und Diskriminierung in der Ehe.

Doch niemand weiß, ob diese Empfehlungen, ebenso wie jene der ersten drei „nationalen Dialoge“, jemals umgesetzt werden. Dennoch sehen die jungen Teilnehmer der Konferenz darin einen großen Fortschritt. Die 23-jährige Aischa beispielsweise ist glücklich, dass sie an der Debatte teilnehmen konnte. Und der 21-jährige Ahmad meint, er sei froh, endlich einmal die Gelegenheit gehabt zu haben, die Meinungen des anderen Geschlechts zu hören. DAHLIA RAHAIMY