Backpacker erobern auch Saigon

Vietnam setzte bislang auf Pauschaltourismus. In der Pham-Ngu-Lao-Gegend aber sind sie trotzdem zu finden:die braun gebrannten Touristen mit den Tatoos und Combat-Shorts, mit Schlabbershirts und Badelatschen

VON KATJA HANKE

„Vor zehn Jahren war das eine normale vietnamesische Straße“, sagt Herr Dung. „Vor fünf Jahren auch noch“, schiebt er nach und zeigt auf die De-Tham-Straße im Zentrum Saigons. Europäer mit Tüten in den Händen laufen vorbei, gucken flüchtig rein. Auf der anderen Straßenseite warten Mopedfahrer auf Kundschaft. Vor der Pizzeria wedelt ein Junge den Ausländern mit der Speisekarte zu und ruft: „Hello, hello!“

Auf einer „ normalen Straße“ in Saigon gibt es keine italienischen Restaurants, nur Garküchen. Dicht an dicht. Vor den Häusern, die höchstens zwei oder dreistöckig sind, sitzen Menschen auf Hockern und löffeln pho, die typisch vietnamesische Nudelsuppe. Auf der De-Tham-Straße sind die Häuser sieben oder acht Etagen hoch. Seit einem Jahr betreibt Herr Dung hier eine Schneiderei. Die Geschäfte laufen gut, sehr gut. So ist das rund um die Pham Ngu Lao.

Eine „Backpacker-Oase“ nennt der Lonely Planet diese Gegend. Hier befindet sich alles, was der preissensible Rucksackreisende braucht. Wobei es nicht die viel befahrene Pham-Ngu-Lao-Straße ist, die die Touristen anzieht. Sie gibt der Gegend den Namen. Mittelpunkt sind ihre Seitenstraßen, wie De Tham, gerade mal einhundert Meter lang. Vom Backpacker-Billigtourismus hat Vietnam sich bisher fern gehalten und auf die besser kontrollierbare Pauschalvariante gesetzt. In der Pham-Ngu-Lao-Gegend aber gibt es sie: die braun gebrannten Touristen mit Tatoos und Combat-Shorts, mit Schlabbershirts und Badelatschen.

Jeden Morgen ist die winzige De-Tham-Straße mit Reisebussen zugestellt. Wie eine zweite Wand bauen sie sich vor den Häusern auf. Backpacker mit Monsterrucksäcken quetschen sich durch das Buslabyrinth. Vor den Reisebüros stehen die meisten Menschen. Drei große Tour-Unternehmen gibt es in der Straße. Alle drei bieten dasselbe an: das „open ticket“, die vietnamesische Version einer Billigpauschalreise. Fast jeder benutzt es. Die Reiseroute ist festgelegt und variiert lediglich dadurch, ob man von Nord nach Süd oder umgekehrt fährt: Hanoi, Hue, Hoi An, Nha Trang, Saigon. Alle fahren an dieselben Orte. Nicht einmal dreißig Dollar kostet das „open ticket“ für die zweitausend Kilometer zwischen Hanoi und Saigon. Unschlagbar billig.

Kurz nach acht ist das Chaos auf der De Tham vorbei. Die Busse sind weg, und der Lärmpegel hat sein normales Niveau erreicht: dauerhupende Mopeds, Geschrei und Autos, die beim Einparken „Jingle Bells“ oder „Lambada“ spielen. Touristen sind fast keine mehr zu sehen. Die befinden sich auf der „open- tour“, in der Stadt oder machen einen Ausflug zu den Vietcong-Tunneln. Als Tagestour natürlich, für vier Dollar, Mittagessen inklusive. Nur vereinzelte schlendern durch die Läden.

Hier gibt es alles für den Touristen: Antiquitäten, Bücher, Rücksäcke, Gemälde, DVDs, CDs. Alles Kopien. Originale gibt es in Vietnam ohnehin selten. Am späten Nachmittag quetschen sich wieder viele Busse gleichzeitig in die enge Straße. Neue Open-tour-Reisende steigen aus und suchen Zimmer. Auch gesetzte Ehepaare und elegante Leute mit Rollkoffern sind dabei. Hotels gibt es in der Gegend viele, vor allem günstige. Für 10 Dollar bekommt man ein gepflegtes Doppelzimmer, für 5 auch eines ohne Fenster. Zimmer mit Pappwänden gibt es nicht. Und abends streifen sie durch die Straße auf der Suche nach Restaurants. An Wochenenden, wenn auch vietnamesische Familien hier essen gehen, sind die Restaurants besonders voll. Sie lächeln die Ausländer unsicher an, so, als wären sie in einem fremden Land. Gegen elf Uhr abends wird es ruhig in Saigon, auch in der Touristengegend. Nur wenige Mopeds knattern noch herum. De Tham wirkt dann wie ausgestorben. Die Hotels ziehen ihre Gitter zu. Wer später rein will, muss die Bediensteten wecken. Vietnamesen gehen früh ins Bett. Auch Touristen ändern daran nichts. Vier Bars mit europäischen Öffnungszeiten gibt es bereits. Von einem Nachtleben kann man nicht sprechen. Wenn anderswo die Nacht anfängt, schläft man hier. Wie in einer ganz normalen vietnamesischen Straße.

Vietnamesisches Fremdenverkehrsamt, Konstantinstr. 37, 53179 Bonn, Tel: 02 28-95 75 40, Fax. 35 18 33,www.vietnamtourism.com