Befreiung und Bändigung

Zweckmäßiges und Beklemmendes zeigt die Ausstellung „Kindermöbel made in Germany“ im Kölner „Popdom“, dem privaten Museum für Alltagskultur und Design der 60er und 70er Jahre

Von Annette
von Czarnowski

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren Möbel für Kinder, „die wichtigsten Menschen der Welt“ (so die IKEA-Werbung), Luxus. In erster Linie waren es verkleinerte Erwachsenenmöbel. Erst in den 60er und 70er Jahren wurde verstärkt auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen. Diese Entwicklung zeichnet die Sonderausstellung „Kindermöbel made in Germany“ im Kölner „Popdom“ nach.

Die älteren Ausstellungstücke lassen von der Befreiung des Kindes aus der Erwachsenenwelt allerdings noch wenig ahnen: Die Stühle, die in DDR-Kinderkrippen der 50er Jahre zum Einsatz kamen, fesselten Kinder zum kollektiven Spiel an die Tische.

Hauptvertreter der 60er und 70er Jahre sind in der Zusammenstellung von Sammler und „Popdom“-Betreiber Gerd Siekmann die Designer Luigi Colani und Günter Beltzig. Beide nutzten für ihre kindgerechten Möbel die populären neuen Kunststoffe. Leicht konsumierbare Kunststoffmöbel waren das Produkt einer Zeit, in der über Umweltschutz und bewussten Umgang mit Rohstoffen noch sehr naiv gedacht wurde.

Colani stieg jedoch nach der Ölkrise der 70er Jahre auf Holz um; sein Kinderschreibtisch „Tobifant“ (1977) wächst dank höhenverstellbarer Platte mit. Günter Beltzig entwarf Serien von Kinderstühlen, -tischen, -bänken und -hockern, die weltweit zu den ersten komplett aus Kunststoff gefertigten Möbelserien gehörten. Kombinationsmöbel aus Hochbett, Schrank und Schreibtisch finden sich abgespeckt noch heute in jedem IKEA-Katalog. Bei Colani hieß das Kombimöbel aus Massivholz „Rappelkiste“ (1975) wie die gleichnamige Fernsehsendung, war solide, aber teuer und dementsprechend kein Verkaufsschlager.

Wenig kommerziellen Erfolg hatten auch die von der Fachwelt gelobten Kindermöbel Beltzigs, der sich später auf Spielplatzgeräte spezialisierte. Beide Designer arbeiteten mit organischen Formen und, bei Kunststoff, leuchtenden Farben. Eher sachlich wirken dagegen die Kinderstühle von Walter Pabst und sein in der Form extrem reduziertes Schaukelpferd. Enttäuschend, weil nicht vorhanden, ist in der Ausstellung die Einbettung der Objekte in Kontexte. Über Hintergründe wie die zeitgenössische Pädagogik oder Sichtweisen auf Kinder erfahren Besucher nichts, ebenso wenig über Verkaufspreise im Verhältnis zum damaligen Durchschnittsverdienst. Vor dem Hintergrund, dass diese Ausstellung in einer Privatsammlung mit bescheidenen finanziellen Mitteln statt findet, ist eher der Verdienst zu würdigen, sich überhaupt des Themas anzunehmen.