Ende der Steuertrickserei

US-Kongress will Lücke im Steuerrecht schließen: Investitionen in ausländische Infrastruktur sollen nicht subventioniert werden. Das ist das Aus für Cross-Border-Leasing

BERLIN taz ■ Bis jetzt hielten die klammen deutschen Kommunen es für einen Segen des Himmels: Ohne Sparen oder Steuereintreiberei sprang aus einem Cross-Border-Leasing-Geschäft (CBL) locker eine zwei bis dreistellige Millionensumme heraus. Jetzt bastelt der US-Kongress an einem Gesetz, das die umstrittenen Geschäfte ein für alle Mal verbieten soll.

„Cross-Border-Leasing ist Trickserei zu Lasten der amerikanischen Steuerzahler“, behauptet der republikanische Senator und Vorsitzende des Finanzausschusses Chuck Grassley, der sich an die Spitze der Gesetzesinitiative gestellt hat. Spätestens Anfang März werde der Kongress über das Gesetz abstimmen, sagte Jill Gerber, Sprecherin des Finanzausschusses, der taz.

Tatsächlich handelt es sich beim CBL um ein Modell, dessen einzige Attraktivität aus einem Steuergeschenk des US-Fiskus besteht. Denn dieser sieht bei Investitionen in die Infrastruktur Abschreibungsmöglichkeiten vor – eine indirekte Subvention, die eigentlich für die heimische Infrastruktur gedacht war, aber auch grenzüberschreitend funktioniert. Die Idee: Eine deutsche Kommune überlässt einem amerikanischen Investor ihr U-Bahn-Netz oder die Kläranlage für 25 bis 99 Jahre und least sie zurück. Das Unternehmen spart Steuern, schließlich „investiert“ es in Infrastruktur im Ausland. Ein Teil der Ersparnis geht an den deutschen Partner. Die Stadt Köln bekam beispielsweise für die Verleasung ihrer Klärwerke an eine auf den Cayman-Inseln ansässige Investmentfirma 26 Millionen Dollar.

Der Clou: Nach US-Recht gehen U-Bahn, Stadthalle oder Kläranlage in den Besitz des Investors über. Nach deutschem Recht bleibt aber die Kommune Eigentümerin. Eine gewagte Konstruktion: Was passiert, wenn es zu einem Rechtsstreit kommt? Wer zahlt, wenn das U-Bahn-Netz kaputtgeht? Zahlreiche Bürgerinitiativen protestieren gegen die Verleasung kommunalen Eigentums. Prominentestes Beispiel ist das Frankfurter Bündnis „Rettet die U-Bahn“. Mit mehr als 40.000 Unterschriften gelang es ihm im vergangenen September, das geplante CBL-Geschäft zu stoppen.

Die Risiken seien stets „beherrschbar“ gewesen, kontern vier Stadtkämmerer aus dem Ruhrgebiet in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Die seit 10 Jahren störungsfrei laufenden Verträge sprechen für eine seriöse, den Interessen aller Seiten dienende, ausgewogene Gestaltung.“ Über 150 Leasingverträge hätten deutsche Kommunen bereits abgeschlossen, die Risiken seien jedes Mal „detailliert dargestellt worden“, so die Kämmerer von Bochum, Recklinghausen, Wesel und Gelsenkirchen. Im übrigen könne von „Steuerbetrug“ keine Rede sein. Weder die US- noch die deutschen Finanzämter hätten solche Geschäfte je beanstandet.

Wenn in Washington das neue Gesetz in Kraft tritt, müssen die Verträge jedoch womöglich geprüft werden. Bislang heißt es zwar, dass bereits unterzeichnete Abkommen ihre Gültigkeit behielten. Doch erstens will Senator Grassley das CBL-Verbot rückwirkend zum 18. Dezember in Kraft treten lassen. Und zweitens sind die Vertragswerke derart komplex, dass auch bei Experten Unsicherheit herrscht, ob das neue Gesetz nicht doch Auswirkungen auf Deutschlands Kommunen haben könnte. „Rein theoretisch könnte es Nachteile geben“, meint etwa Ludger Harmeier, Pressesprecher des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen. „Wir haben schon in der Vergangenheit davor gewarnt, dass man die Risiken nicht überschauen kann.“ Auch der Deutsche Städtetag mahnt, abzuwarten und keine weiteren Verträge abzuschließen.

Mitstreiter der Bürgerinitiativen sehen Millionen-, wenn nicht Milliardenforderungen auf die Kommunen zukommen. Sie fürchten, dass Investoren Schadenersatz verlangen können – im schlimmsten Falle ein Vielfaches der Vertragssumme. Von Nachteil sei auch, dass mögliche Streitigkeiten vor US-Gerichten ausgetragen würden.

Für unbegründet halten solche Warnungen die vier Rechtsanwaltskanzleien, die sich in Deutschland auf CBL spezialisiert haben: „Nicht der deutsche Leasingnehmer, sondern der US-Investor trägt das Risiko.“

In jedem Fall scheint das umstrittene Leasing bald der Vergangenheit anzugehören. Dann werden sich die deutschen Kämmerer wieder auf das Geldeintreiben konzentrieren – und ihre Finger von unklaren Steuergeschäften lassen.

KATHARINA KOUFEN