Teurer Billigmarkt für den Alex

US-Kette Wal-Mart will nicht mehr in die Rathauspassagen. Vertrag mit Wohnungsbaugesellschaft kurzfristig gekündigt. Die WBM hat extra 70 Millionen investiert und prüft nun Schadensersatzklage

von STEFAN ALBERTI

Baugerüste und Planen sind weithin weg, an der Ecke zum Roten Rathaus ist schon ein Bowlingcenter geöffnet. Nicht viel scheint zu fehlen bis zur geplanten Eröffnung der Rathauspassagen im März. Bis auf den Hauptmieter: Der US-Konzern Wal-Mart will raus aus dem 70-Millionen-Projekt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), das auf ihn zugeschnitten ist. Verbände sehen die Schuld in falscher Ansiedlungspolitik. Von einem „Desaster für den Senat“ spricht der Lebensmittelverband, Wal-Mart habe Planungssicherheit gefehlt. „Das rächt sich jetzt“, urteilte der Einzelhandelsverband. Die WBM prüft eine Schadensersatzklage.

Per Einschreiben lag die Wal-Mart-Kündigung auf dem Tisch – laut WBM-Geschäftsführer Hartmut Moschner ohne jede Vorwarnung. Drei Gründe nennt Wal-Mart, der bereits in Neukölln ein Großgeschäft hat: Bedenken, ob der Boden tragfähig genug ist, angebliche Bauverzögerungen und nicht ausreichend attraktiver Mieterstand. Für Moschner alles vorgeschoben: Der Bezirk habe bautechnisch grünes Licht gegeben, der Termin sei keineswegs verspätet. Und inklusive der 40 Prozent für Wal-Mart – fast die ganze obere Etage – seien 70 Prozent vermietet gewesen, bis Januar hätten es angeblich 90 sein können. Von anderen Mietern gebe es noch keine Reaktion.

Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU), Mitglied im WBM-Aufsichtsrat, bestätigt: Im Dezember habe der Bezirk den Bau ohne Beanstandungen abgenommen. „Fadenscheinig“ nennt er die von Wal-Mart genannten Gründe. Nichts habe auf den Ausstieg hingewiesen: „Die Wal-Mart-Leute haben uns immer versichert, dass die Rathauspassagen für sie ein absolutes Prestigeobjekt sind.“ Nur auf deren Drängen hatte der Bezirk – laut Zeller im „städtebaulichen Kopfstand“ – das Parkhaus zur Grunerstraße hin genehmigt.

Für Nils Busch-Petersen hingegen, Landesgeschäftsführer beim Einzelhandelsverband, kommt die Entwicklung wenig überraschend. Auf Befragen sagte er, ihm seien Wal-Mart-Bedenken seit einem Jahr bekannt gewesen. „Die haben keine Vertrauen mehr in diese Investition.“ Der Verband habe den Senat vergeblich darauf hingewiesen, nicht für weitere Konkurrenz zu sorgen. Busch-Petersen zielt damit weniger auf das als „Banane“ bekannt gewordene Großprojekt in Alex-Nähe, sondern auf umstrittene Einzelhandelszentren wie an der Landsberger Allee.

Ähnlich äußerte sich der Landesverband des Lebenmittel-Groß- und Einzelhandels: Er wirft Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) vor, nicht für Planungssicherheit zu sorgen, sondern „an allen nur denkbaren Orten“ großflächigen Einzelhandel zu erlauben und zu fördern. „Das führt zwangsläufig dazu, dass das Vertrauen in den Handelsstandort sinkt“, sagt Verbandschef Horst Faber. Strieder-Sprecherin Petra Reetz nannte solche Vorwürfe „Blödsinn“. Der geplante Standort Landsberger Allee würde dem Alexanderplatz keine Konkurrenz machen. Verfehlte Ansiedlungspolitik hielten gestern auch Politiker von CDU und Grüne dem Senat vor.

Die WBM, deren Geschäftsbericht für Ende 2002 Verbindlichkeiten von 451 Millionen Euro aufweist, hat sich für das Projekt bei der EuroHypo AG verschuldet. 20 der 70 Millionen Investitionen flossen in das auf Wal-Mart-Druck gebaute Parkhaus. Von den verbleibenden 50 Millionen entfielen rund 20 Millionen auf die Wal-Mart-Fläche. Von ihr heißt es, sie sei mit kleinen Umbauten auch für andere große Einzelhändler geeignet. WBM-Chef Moschner sagte, während der Bauphase habe es solche Anfragen gegeben. Freitag steht ein Treffen mit Wal-Mart an.