Bloß keine Bloßstellung

Ein launiges Stück Freikörperkultur von natürlicher Harmonie und mit offensichtlichen Parallelen zur Stripperkomödie „Ganz oder gar nicht“: Nigel Coles Film „Kalender Girls“

Uns auf die Trübsal des kommenden Jahres einzustimmen, das ist die Funktion des Bildkalenders. Langweilige Motive schlecht fotografiert – so soll es sein, jetzt und immerdar. Und nun das: nackte Haut für Frühling, Sommer, Herbst und Winter! Muss das sein?

Der neue Film von Nigel Cole („Grasgeflüster“) stellt rechtzeitig zum Jahreswechsel schönes Anschauungsmaterial für eine Überprüfung alter Vorurteile. Aufregung ist unangebracht, es geht um einen guten Zweck. Ort der Handlung ist die idyllische Grafschaft Yorkshire, England, den Hintergrund liefert eine wahre Begebenheit. Um Spenden für ein bedürftiges Krankenhaus aufzutreiben, ließ sich ein Teil des örtlichen Frauenkreises von Rylstone teilweise nackt ablichten. Die Pointe: Es handelte sich durchweg um gesetzte Frauen reiferen Alters. Folgende Faktoren spielen in dieser merkwürdigen Geschichte eine Rolle: die maßvolle Tabuierung des weiblichen Körpers jenseits der 50; die bisherige Gepflogenheit, den Lauf der Jahreszeiten mit naturschönen Landschaftsbildern zu begleiten; die Sehgewohnheiten von Ehemännern, die in ganz anderen Kalendern begutachten, was ihnen eine anständige Yorkshire Lady seit Jahr und Tag vorenthält; und last but not least die unergründliche britische Obsession mit dem medienrechtlichen Tatbestand „Full Frontal Nudity“.

So weit darf es natürlich nicht kommen, da sind sich Annie (Julie Walters) und Chris (Helen Mirren) einig. Um massive Schamgefühle ihrer züchtigen Mitstreiterinnen auszutricksen, werden die Damen bei ihren ganz natürlichen Tätigkeiten eingefangen. Das heißt, beim Backen, Kochen, Stricken. Anspielungsreich wird der Busen der reiferen Frau von rundlichen Kirschtörtchen verdeckt, Blumengebinde und Gießkannen erfüllen denselben Zweck. Die Parallele zur Stripperkomödie „Ganz oder gar nicht“ ist offenkundig. Auch hier verhinderte ein geschlechtsspezifisches Statussymbol, der Bowler Hat, den Blick auf die letzten Dinge. Es ist denn auch nur die maßlose Vergleichbarkeit, die ein wenig anstößig wirkt.

Die konservative Revolution ist das Thema des britischen Films, ihr innerer Widerspruch sein komödiantisches Schmiermittel. Zuverlässig wird nichts und niemand bloßgestellt. Das Ergebnis ist ein launiges Stück Freikörperkultur von natürlicher Harmonie. Den weiblichen Akt als altehrwürdige Landschaft begriffen, gilt: „The last stage of the flower is the most glorious.“

PHILLIPP BÜHLER

„Kalender Girls“, Regie: Nigel Cole. Mit Julie Walters, Helen Mirren, Penelope Wilton, Annette Crosbie, Celia Imrie, Linda Bassett u. a., GB 2003, 108 Min.