Fischfangflotte reduziert Großwild an Land

Wissenschaftler weisen nach, dass die Überfischung an der Küste Westafrikas mit schuld daran ist, dass an Land die Wildtiere verschwinden

Erstmals wurden von einem Wissenschaftlerteam harte Zahlen vorgelegt, die beweisen sollen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Überfischung der Gewässer vor den Küsten Westafrikas durch die Fischfangflotten der EU und dem Ausrotten der dort heimischen terrestrischen Wildtierarten gibt.

Seit längerem schon warnen vor allem Umweltschutzorganisationen vor der zunehmenden Reduzierung der großen Wildtierarten in zahlreichen afrikanischen Regionen. Die Bedrohung der in afrikanischen Wäldern und Savannen lebenden Wildtiere durch Handel und Verzehr ist in den letzten Jahren zu einem Herzstück des internationalen Umweltschutzes geworden.

In der Novemberausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins Science wurden nun Daten der letzten dreißig Jahre präsentiert, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der drastischen Steigerung des Konsums von Wild und einer Verknappung des Fischangebots in Ghana belegen. Die Daten des unter der Leitung des kalifornischen Biodiversitätsexperten Justin Brashares (University of Cambridge) stehenden internationalen Forscherteams zeigen, dass dies zu einem extremen Rückgang der Biomasse von 41 Wildtierarten führt. Diese Kausalität zeigt sich am deutlichsten in den Küstenregionen.

Forscherteams, die in anderen westafrikanischen Staaten wie zum Beispiel in Senegal arbeiten, vermuten diese Verflechtung ebenfalls. „Vor allem gefährdete Affen-, Antilopenarten und Elefanten müssen als Ersatz herhalten“, sagt Brashares.

Die Science-Autoren empfehlen dringend die Schaffung von billigen Proteinquellen für die Nahrungsmittelproduktion. In dem Bericht wird aber auch der Verdacht nahe gelegt, dass das Problem unter anderem auf den europäischen Fischfang in den westafrikanischen Gewässern zurückzuführen ist. Schiffe aus der EU sind häufig vor den Küsten Westafrikas zu finden. Der Grund sind die weltweiten Fangflottenüberkapazitäten. Zahlen der Welternährungsorganisation (FAO) zeigen, dass die Schiffe aus den EU-Staaten einen Anteil von rund 12 Prozent an der gesamten Fangmenge vor der westafrikanischen Küste haben.

Die Schiffe fischen zwar außerhalb der 12-Seemeilen-Zone. Sie fangen aber auch Fischschwärme ab, die auf dem Weg ins flachere Küstengewässer sind. Damit zerstören sie die Lebensgrundlage der heimischen Bevölkerung, die sich zum größten Teil von der Fischerei ernährt. Und es vor allem die Armen, die darunter leiden. Etwa 80 der von der Fischerei lebenden Bevölkerung gehören der untersten Einkommensklasse an. Dazu kommt, dass ihnen häufig auch das Fischen verboten wird, weil die Regierungen die mit EU-Staaten abgeschlossenen Fangverträge einhalten will.

Die Überfischung bedroht auch die Tierwelt im Meer. So sterben vor der Küste Mosambiks die Seekühe, weil sie nichts mehr zu fressen finden.

Die EU-Kommission weist den Vorwurf zurück, für den Rückgang der Großwilds in Ghana mitverantwortlich zu sein. Seit 1990 seien vor Ghana überhaupt keine EU-Schiffe mehr dokumentiert worden, heiß es dort. Auch sind andere Experten der Meinung, dass sich auch bei einer Reform der EU-Fischereipolitik bezüglich Westafrikas nicht viel an dem Handel mit Wildfleisch ändern würde. Schlechte Ernten, Kriege und die wirtschaftlich schlechte Situation sind für die Armen Grund genug, Wildtiere als Nahrungsquelle zu nutzen.

Ein unberechenbarer wichtiger Faktor kommt in der Diskussion noch hinzu: die Piratenfischer. Zumeist unter Billigflagge registrierte Schiffe ohne Namen beuten die westafrikanischen Küstengewässer, die zu den zehn reichsten Fischgründen der Welt der Erde gehören, ebenfalls aus. In welchem Umfang, das ist jedoch selbst den Experten nicht bekannt.

STEFANIE WERNER