Auf dem Stadtplan nur ein Wasserspeicher

Kirchenvertreter der Region äußern Bedenken gegen den EU-Beitritt der Türkei. Vor der Aufnahme des Landes in die EU müsse die Situation der Christen verbessert werden. Türkische Vertreter im Ruhrgebiets freuen sich auf Beitritt

RUHR taz ■ Die katholischen und evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen kritisieren anlässlich der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei die mangelhafte Religionsfreiheit in dem muslimisch geprägten Land. „Nach wie vor ist die Lage der Christen und anderer Religionsgemeinschaften in der Türkei äußerst schwierig“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen in NRW. Eine Verbesserung der Situation sei unabdingbare Voraussetzung für die endgültige Entscheidung über einen Beitritt des Landes.

„Die so betont laizistische Türkei hat ein eigentümliches Verhältnis zur Trennung von Kirche und Staat“, sagt Nikolaus Schneider, Präses der in Düsseldorf beheimateten Evangelischen Landeskirche im Rheinland. Der sunnitische Islam sei faktisch eine kontrollierte Staatsreligion, während die christlich-orthodoxen Kirche in ihrer Religionsausübung noch immer behindert werde. So dürften Priester weder in der Türkei ausgebildet noch aus dem Ausland angeworben werden, christliche Gemeinden dürften sich nicht als Vereine organisieren und auch kein Eigentum erwerben. Der kirchliche Besitz unterstehe der staatlichen Stiftungsaufsicht und sei stets von Enteignungen bedroht. „Diese Situation wird oft vergessen. Wenn die Türkei der EU beitreten will, muss sich das ändern“, fordert Schneider.

Ins gleiche Horn wie der evangelische Präses stoßen auch die Katholiken. „Selbst ein Staat wie Kasachstan hat es geschafft, der katholischen Kirche einen vernünftigen Rechtsstatus zu geben. In der Türkei warten wir immer noch“, kritisiert Helmut Wiesmann vom Bereich Weltkirche und Migration im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Religionsfreiheit in der Türkei bedeute lediglich Bekenntnisfreiheit, die Kultfreiheit sei hingegen wegen mangelnder Infrastruktur nur mangelhaft. „Auf dem offiziellen Stadtplan von Istanbul ist an der Stelle der katholischen Pfarrei ein Wasserspeicher eingezeichnet, weil es katholische Pfarreien eigentlich nicht gibt“, sagt Wiesemann.

Aller Kritik zum Trotz wollen sich die Kirchen einem Beitritt – anders als die deutsche CDU mit ihrem Modell der „privilegierten Partnerschaft“ – nicht völlig verschließen. „Es gibt keine offizielle Position der Bischofskonferenz. Man muss nur aufpassen, dass die Religionsfreiheit bei den Gesprächen nicht unter die Räder kommt“, sagt Wiesmann. Präses Schneider hält die „privilegierte Partnerschaft“ für einen „schwierigen“ Begriff. „Darunter kann man sich nichts genaues vorstellen“, sagt er.

Die Türken im Ruhrgebiet wollen sich die Freude über die baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen durch die Kirchenkritik nicht verderben lassen. „Wir haben so lange darauf gewartet, es ist gut, dass es bald losgeht“, sagt Mustafa Okur, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Rhein-Ruhr. In der Türkei könnten alle kirchlichen Glaubensrichtungen friedlich zusammenleben. „Wir sind doch alles gleiche Menschen“, sagt er. Die Bedenken der Kirche könne man eben „nicht ändern“. Auch nach der Meinung von Faruk Sen, dem Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT), werden die christlichen Einwände in den Beitrittsverhandlungen „keine entscheidende Rolle“ spielen. „Die Kirchen waren doch schon immer skeptisch“, sagt er. KAN