Afrika für eine Saison

Klischees abbauen, afrikanische Kunst etablieren und sich ganz nebenbei mit dem Profilierungsobjekt schmücken: Mit einer großen Geste wird London im nächsten Jahr mit „Africa 05“ in über vierzig Museen, Konzerthäusern und Institutionen zeitgenössische und vergangene afrikanische Kultur feiern

VON JULIA GROSSE

Sir Bob Geldorf feiert 20 Jahre Live Aid und brüht für die Charts und einen guten Zweck alte Hits mit neuen Stars auf. Tony Blair will seinen guten Ruf zurück und beim G-8-Gipfel einen umfassenden Report seiner im Februar gegründeten Afrika-Initiative vorlegen. Alles steht im Zeichen von Afrika, 2005 in Großbritannien. Das ist zunächst einmal erfreulich, freilich auch ein dankbares Thema und Profilierungsobjekt obendrein: Schließlich will jeder Afrika „helfen“.

Das multikulturelle London widmet sich mit „Africa 05“ in einer überschwänglichen Geste den afrikanischen Kulturen. Alle großen Museen, Galerien und Festivalhäuser sind beteiligt; auf dem gigantischen Programm steht zeitgenössische und vergangene Kultur des gesamten Kontinents, aber auch der Diaspora. Die Hayward Gallery führt die Düsseldorfer Ausstellung „Africa Remix“ fort, die South London Gallery zeigt zeitgenössische Fotografie über das städtische Leben von Lagos, in der Whitechapel Art Gallery thematisiert „Back to Black“ den gesellschaftlichen Einfluss der Black Arts Movement in den 60er- und 70er-Jahren; das Barbican präsentiert die Filme von Horace Ove, dem meisterhaften Regisseur und „godfather of black British filmmaking“.

Der Großteil der Veranstaltungen allerdings wird im British Museum stattfinden, das eine Konferenz und vier eher unspektakuläre Ausstellungen mit Stücken hauptsächlich aus dem eigenen Bestand präsentiert. Forciert selbstbewusst sagte Direktor Neil MacGregor zum Konflikt um Besitzfragen und Rückführungsforderungen dem Guardian, gerade die Möglichkeit, die Geschichte aller Länder an einem Ort zu sehen, verhelfe zu einem besseren Verständnis der Welt. So bekommt das Projekt „Africa 05“ schon vor seinem Beginn einen bitteren Beigeschmack, prägt doch das Haus die Darstellung von afrikanischer Kultur im kommenden Jahr entscheidend mit.

Man wird sehen. „Africa 05“ soll Klischees über Afrika abbauen, wünscht sich Programmdirektor Augustus Casely-Hayford vom British Museum. Die Herangehensweisen sind politisch korrekt abgedichtet. Ab Juni wird es zwar auch eine Schau im Crafts Council geben, doch hütet sich „Mixed Belongings: Eight Contemporary African Makers“ davor, eben jenes Bild des „authentischen“ Kunsthandwerks zu bedienen, sondern untersucht den individuellen und politischen Einfluss auf die Praxis der acht Hersteller. Auch wird man Ausstellungen wie „Africa Remix“, die in Deutschland eher auf Verwirrung stießen, in London entspannter rezipieren. Die Überschreitung fester nationaler Grenzen als Zustand des „Dazwischenseins“ ist hier längst eine Form von Identität.

Doch wen will „Africa 05“ eigentlich ansprechen? Casely-Hayford will vor allem die lokalen Communities für Kunst und Kultur erwärmen. Doch könnte es an der verstaubten Kunstvermittlung des British Museum scheitern, schwarze Teenager für Kultur aus Afrika zu interessieren. Da hatte es die Ausstellung „Black British Style“ über schwarze Stilpraktiken im Victoria & Albert Museum leichter.

Trotzdem gibt sich „Africa 05“ optimistisch und ist überzeugt, afrikanische Kunst so langfristig innerhalb der internationalen und britischen Kunstszene platzieren zu können. Doch was ist afrikanische Kunst? Einerseits ist es ein Erfolg, dass internationale Künstler wie Chris Ofili und Yinka Shonibare nicht mehr auf das „Andere“ in ihren Arbeiten reduziert werden, andererseits ist es notwendig, die Unterschiede herauszustellen, um an der westlichen Ausrichtung der Kunstszenen zu rütteln. Doch ob es „Africa 05“ bedarf, um den Kunstmarkt zu überzeugen, mehr afrikanische Kunst zu etablieren?

Das kulturelle Angebot an über vierzig Veranstaltungsorten ist jedoch durchaus beeindruckend. Es wird sich zeigen, ob sich hinter dem überschwänglichen Interesse an Afrika tatsächlich mehr verbirgt als nur ein sehr engagierter, aber nach einem Jahr abgehakter Punkt auf der Arts-Council-Liste für Sonderthemen. Am treffendsten brachte es der Künstler Yinka Shonibare auf den Punkt: „Afrika darf nicht nur ein schickes Thema für eine Saison sein.“