semlers kleine wortkunde
: Oh Meyerling, du arger Zögerling!

Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär, handelt nach Ansicht der Medien „zögerlich.“ Eine seltsame Analyse!

Herr Laurenz Meyer, so hören wir jetzt vielfach, offenbart seine Verdienstquellen nur zögerlich. „Zögernd“ reicht offenbar den Kommentatoren zur Charakterisierung nicht aus. Denn nach ihrem Wortgebrauch zeigt er im Zögerlichen seine ganze miese Zögerlichkeit.

Das Suffix -lich, gebildet, um adjektivisch oder adverbial eine Eigenschaft auszudrücken, ist eigentlich ganz ungefährlich. In Verbindung mit Zögern aber gewinnt der Begriff freilich eine neue Bedeutung, die den zu Grunde liegenden Sachverhalt gleichzeitig verallgemeinert und ins Ungefähre verschiebt. Denn in einer Reihe von lich-Suffixen wird angezeigt, dass die Eigenschaft nur annäherungsweise getroffen ist. Dem folgend wäre der Generalsekretär der CDU nicht als schwarz, sondern nur als schwärzlich zu bezeichnen.

Obwohl „zögerlich“ laut Etymologie-Duden schon im 18. Jahrhundert auftaucht, verdankt es seine Karriere erst den letzten zwei Jahrzehnten. Zuerst bereicherte „zögerlich“ den Spiegel-Jargon, um dann bei Journalisten und Politikern zu einem der Lieblingsbegriffe zu avancieren.

Wer „zögerlich“ sagt, bedient sich nicht etwa eines wichtigtuerischen Sprachmanierismus. Er hat etwas den Kern der Sache Betreffendes mitzuteilen. Ein Politiker darf nicht „zögerlich“ sein. Denn Entschlusskraft ist, wie schon der „Führer“ sagte, die vornehmste Führereigenschaft auch und gerade in prekärer Lage. CHRISTIAN SEMLER