Salzburgs gepfefferter Abtreibungsstreit

Österreichischer Kulturkampf: Sozialisten wollen in Salzburg erstmals Abtreibungen erlauben, Katholiken laufen dagegen Sturm. Ungeklärt kurz vor Weihnachten ist, ob unter einer SPÖ-Regierung Jesus überhaupt zur Welt gekommen wäre

AUS WIEN RALF LEONHARD

Kreuzzugsstimmung machte sich in Salzburg breit, als militante Abtreibungsgegner gestern vor dem Landeskrankenhaus aufmarschierten. Gegenstand ihrer Empörung ist Landeshauptfrau Gabi Burgstaller: Die SPÖ-Politikerin hat die Landeskliniken angewiesen, ab 1. April Abtreibungen anzubieten.

Burgstaller, der sonst keine kirchenfeindlichen Handlungen nachgesagt werden, setzte sich in dieser Frage gegen ihren Koalitionspartner durch, die christlichsoziale ÖVP. Sie findet es skandalös, dass schwangere Frauen aus Salzburg, die ihr Kind nicht austragen wollen oder können, nach Wien oder gar Budapest reisen müssen. Die einzige Salzburger Privatklinik, wo abgetrieben wurde, musste im Sommer wegen unhaltbarer sanitärer Zustände geschlossen werden.

Der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ist in Österreich seit 30 Jahren straffrei. Dies wurde von der ÖVP und der katholischen Kirche immer bekämpft. Während in öffentlichen und privaten Kliniken der östlichen und südlichen Bundesländer Österreichs Abtreibungen routinemäßig stattfinden, blieb der besonders katholische Westen standhaft: Salzbug, Tirol und Vorarlberg verweigern den Frauen dieses Recht.

Bei den Landtagswahlen vom vergangenen März in Salzburg konnte die SPÖ der ÖVP die Regierung abjagen. Die 40-jährige Landeshauptfrau, die gleichzeitig die Gesundheitsagenden leitet, ließ sich nur wenige Monate Zeit, um die heikle Frage anzusprechen. Ihr Stellvertreter, Wilfried Haslauer von der ÖVP, drohte mit dem Platzen der Koalition und verweigerte seine Zustimmung. Burgstaller musste die Entscheidung im Alleingang durchsetzen.

Umfragen zeigen, dass die traditionell konservative Salzburger Bevölkerung keinen Glaubenskrieg in der Abtreibungsfrage führen will. Aber der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, dessen Vorgänger das Land jahrhundertelang als geistliche Fürsten regiert hatten, warf seine Autorität in die Waagschale: „Es ist kein Beitrag zu einer humaneren Gesellschaft, wenn das schutzbedürftigste menschliche Leben, nämlich das ungeborene, an einem öffentlichen Krankenhaus zur Tötung freigegeben wird.“

Die Methoden, mit denen dann der katholische Jugendverband „Jugend für das Leben“ gegen Burgstaller mobilisierte, gingen aber auch dem Kirchenmann zu weit. Deren Briefen an 70.000 Haushalte war ein farbiger Cartoon beigelegt, der eine höhnisch grinsende Landeshauptfrau zeigt, wie sie Maria und Joseph auf Herbergssuche keine Unterkunft anbietet, sondern eine günstige Abtreibung. Das grenze an Verhetzung, meinte die Angesprochene empört.

Wenig zimperlich wird aber auch auf der anderen Seite agitiert: So tauchte auf einer von den Jusos organisierten Gegendemonstration ein Transparent auf mit der Losung: „Hätte Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben.“

Angeführt werden die Abtreibungsgegner von Weihbischof Andreas Laun, der Homosexualität für eine heilbare Krankheit hält. Professionelle Schützenhilfe erhielten sie von Human Life International, einer katholisch-fundamentalistischen Organisation, deren Wiener Ableger eine private Abtreibungsklinik durch systematischen Psychoterror gegen Klientinnen und Personal in den Bankrott getrieben hat.

Was in den meisten Bundesländern längst selbstverständlich ist, wird in Salzburg noch lange für Streit sorgen. Die Ärztinnen und Ärzte am Landeskrankenhaus wurden von ihren Vorgesetzten so unter Druck gesetzt, dass sie auch zukünftig den Schwangerschaftsabbruch verweigern. Burgstaller musste ein Team in Wien anheuern, das zweimal die Woche eigens nach Salzburg reisen wird.