Ein schlechter Verlierer in Kiew

Der bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine unterlegene Janukowitsch lehnt jede Zusammenarbeit mit dem Sieger ab. Spekulationen über den Tod des Transportministers

AUS KIEW BARBARA OERTEL

Russlands Präsident Wladimir Putin sitzt im Flugzeug von Moskau nach Kiew. Die Stewardess: „Ihr Ticket.“ Putin: „Ich habe ein Abonnement.“ So lautet einer der Witze einer Sammlung von Anekdoten, die derzeit als orange Broschüre unter dem Titel „Janukdoty“ auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz Maidan verkauft wird. Doch der beurlaubte Regierungschef Wiktor Janukowitsch, der bei der Wiederholung der Stichwahl um das Präsidentenamt mit 44,1 Prozent nur den zweiten Platz hinter Wiktor Juschtschenko (51,99 Prozent) erreichte, hat derzeit keinen Sinn für Humor. Russlands Versuche, den Ausgang der Wahlen in der Ukraine zu beeinflussen, seien spontan und ohne Vorbereitung erfolgt, sagte er am Montagabend. Demgegenüber sei der Einfluss der USA auf die Wahlen langfristig geplant gewesen. Das stelle eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine dar.

Einer Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten Juschtschenko erteilte Janukowitsch eine Absage. „Wir werden Juschtschenko und seine Mannschaft niemals anerkennen und ihm die Erniedrigung unserer Wähler und die Verletzung von Menschenrechten nicht verzeihen“, sagte er. Gleichzeitig kündigte er an, eine starke Opposition gegen Juschtschenko aufbauen zu wollen. Das betreffe nicht nur die Arbeit im Parlament. „Wir bereiten verschiedene Varianten vor“, sagte Janukowitsch.

Etwas anderes wird dem Wahlverlierer kaum übrig bleiben. „Wenn Janukowitsch weiter in der Politik mitmischen will, geht das nur im Parlament. Er wird wahrscheinlich eine Partei gründen. Und die hat dann durchaus gute Chancen, bei den Parlamentswahlen 2006 zu gewinnen“, sagt Irina Solonenko von der International Renaissance Foundation in Kiew. Für sie ist klar, dass Janukowitsch die Wahlen zunächst bei der Zentralen Wahlkommission und dann vor Gericht anfechten wird. „Er macht das, um Zeit zu gewinnen, doch das ist völlig aussichtslos. Seine Beweise über angebliche Wahlfälschungen werden bei weitem nicht ausreichen“, meint Solonenko.

Die Frage einer möglichen Klage des Unterlegenen treibt die Menschen in Kiew derzeit weniger um. Gesprächsthema Nummer eins ist der mysteriöse Tod von Transportminister Georgi Kirpa. Er war am Montagabend in seiner Datscha unweit von Kiew tot aufgefunden worden. Nach Angaben der Polizei habe die Leiche Schussverletzungen aufgewiesen, neben dem Toten habe eine Pistole gelegen. In einer ersten Version war von Selbstmord die Rede, doch der erste Vize-Innenminister Michail Manin hielt sich gestern Vormittag zurück. Die näheren Umstände des Todes seien noch unklar, sagte Manin. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Bis vor wenigen Wochen galt der 58-Jährige noch als enger Vertrauter von Janukowitsch. Während des Wahlkampfes vor dem ersten und zweiten Durchgang hatte Kirpa dafür gesorgt, dass Anhänger Janukowitschs per Zug unentgeltlich zu dessen Wahlveranstaltungen und nach Kiew transportiert wurden. Vor wenigen Wochen soll es jedoch zu einem Streit gekommen sein, bei dem Janukowitsch den Minister niedergeschlagen haben soll. Vor der Neuauflage der Stichwahl am vergangenen Sonntag hatte Kirpa den Janukowitsch-Anhängern die Transportmöglichkeit verweigert.

Daher glaubt Nikolai Tomenko, Parlamentsabgeordneter und Mitglied der Juschtschenko-Partei „Unsere Ukraine“, nicht an den Freitod Kirpas. „Kirpa war einer der Hauptzeugen, nicht nur von zahlreichen Korruptionsfällen, sondern auch von massiven Wahlfälschungen“, sagte er gestern. „Das könnte nicht der letzte Todesfall gewesen sein.“