Ideale Lebensbedingungen für Schwanzträger

70 Jahre nachdem die ersten Waschbären in der Nähe von Kassel ausgesetzt wurden, hatte an Weihnachten eine Dünnwälderin eine Erscheinung. Förster halten es für möglich, dass das Tierchen nach Köln eingewandert ist

KÖLN taz ■ Auch nach einem Blick in ihr Bestimmungsbuch zur Fauna und Flora Europas ist sich Ellen Pontius nicht ganz sicher: „Es könnte ein Waschbär gewesen sein.“ Das fuchsgroße Tier überquerte in der Heiligen Nacht vor ihrem Auto die Straße in Köln-Dünnwald.

Hier im äußersten Nordosten des Stadtgebiets gibt es mit ausgedehnten Laub- und Mischwäldern ideale Lebensbedingungen für alle, die einen buschigen Schwanz tragen: für Fuchs, Wiesel, Iltis, Marder – und eben Waschbären. Hinzu kommt der Mutzbach, in dessen Wasser Waschbären artgerecht nach Schnecken, Würmern und anderem Futter suchen könnten; das sieht dann so aus, als würden sie mit ihren Vorderpfoten etwas waschen. Rüdiger von Eyb jedenfalls, Büroleiter des Bundesforstamts Wahner Heide, hält es „nicht für ausgeschlossen“, dass die Spezies in Köln angekommen ist. Für Irena Oelbermann vom Bund für Naturschutz wäre die Dünnwalder Erscheinung der erste Waschbär, der dem Stadtverband Köln aus Köln gemeldet wurde. Im restlichen – rechtsrheinischen – Rheinland, so die Auskunft der Unteren Forstbehörde Eitorf, werden Waschbären häufig beobachtet. Als Standorte besonders beliebt bei den Tieren seien das Siebengebirge und die Sieg mit ihren Nebenflüssen.

Seit 1934 die ersten Waschbären am Edersee in der Nähe von Kassel ausgesetzt wurden, verbreiteten sie sich über ganz Deutschland und über Tschechien, Österreich und die Schweiz bis Frankreich. Besonders viele leben nach wie vor in der Nähe von Kassel. Hier hörte für viele Menschen der Spaß auf, als die Kleinbären Gärten verwüsteten, Mülltonnen plünderten oder auf Dachböden einzogen. Manche Nordhessen haben ihre Häuser schon fast in Festungen umgebaut, um sich vor den Eindringlingen zu schützen. In Kassel haben Wissenschaftler herausgefunden, dass sich Waschbären, die in der Stadt leben, besonders gut vermehren. Sollte Ellen Pontius mit ihrer Beobachtung richtig liegen, könnten sich die niedlichen Tiere alsbald von Dünnwald aus über halb Köln verbreiten – erstmal bis zum Rhein.

Eine Chance, dass Köln nicht mit Kassel um den Titel „heimliche Waschbärenhauptstadt Europas“ konkurrieren muss, besteht noch. Es könnte sich in Dünnwald auch um einen Marderhund gehandelt haben. Marderhunde sehen Waschbären – vor allem nachts – zum Verwechseln ähnlich. Aber sie bleiben lieber in den Wäldern, wo sie zur Ranzzeit lang gezogene, heulende Schreie ausstoßen, um die Weibchen anzulocken.Peter Hanemann