Berlin schweigt drei Minuten

Zum Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien soll heute um 12 Uhr für drei Minuten die Arbeit ruhen. Busse und Bahnen stoppen, Glocken läuten. Noch immer 63 Berliner vermisst

VON SONJA FRANK,
STEFAN ALBERTI
UND JAN ROSENKRANZ

Punkt zwölf soll nichts als Stille herrschen in der Stadt. Nur die Kirchenglocken werden läuten. Mit drei Schweigeminuten beteiligt sich auch Berlin an der EU-weiten Zeremonie zum Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien. Heute um zwölf Uhr werden Mitarbeiter im Roten Rathaus, in den Senatsverwaltungen, im Parlament, in Schulen, Universitäten und Unternehmen ihre Arbeit ruhen lassen. Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) appellierte an die Bürger, dem Aufruf zu folgen. „Wir wollen schweigend um die Opfer trauern.“

Auch Busse und Bahnen werden ihre Fahrt für kurze Zeit unterbrechen. Nach Auskunft der S-Bahn werden die Züge für eine Minute stehen bleiben – möglichst an den Haltestellen. U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen halten drei Minuten. Die Fahrer werden sich mit Durchsagen an die Passagiere wenden, um Missverständnisse zu vermeiden. Die kurzzeitig damit einhergehenden Fahrplanabweichungen nehme man in Kauf, so BVG-Sprecherin Petra Reetz.

Da die drei Berliner Flughäfen ihr Geld vor allem Dank der Reisebranche verdienen, sei es auch für sie selbstverständlich, sich an dem Gedenken zu beteiligen, so Pressesprecherin Rosemarie Meichsner. Abfertigungen erfolgen nicht, die Reisenden würden auf den Moment des Innehaltens hingewiesen.

Stille soll auch im Äther herrschen. Die sieben Hörfunkwellen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) werden ihr Programm für drei Schweigeminuten unterbrechen. Zeitgleich sendet das rbb-Fernsehen das Glockengeläut der Berliner Gedächtniskirche.

Beim Berliner Schreibwarenhersteller Herlitz war gestern noch unklar, was heute Mittag passiert: „Noch ist nichts entschieden“, sagte eine Sprecherin. Um die Maschinen genau um zwölf Uhr abstellen zu können, müsste eine Pause vorgezogen werden. Im Werk von DaimlerChrysler in Marienfelde stellt sich das Problem so nicht. „Um Punkt 12 Uhr ist die Pause beendet, wir lassen die Bänder einfach drei Minuten später wieder anlaufen“, so eine Sprecherin.

Auch bei der Berliner Siemens-Niederlassung mit ihren 15.000 Beschäftigten war gestern bereits entschieden. „Wir werden uns beteiligen“, sagte Unternehmenssprecher Harald Prokosch. Per Pausensignal würde etwa im Schaltwerk, wo Teile für Schaltgeräte entstehen, die Arbeit unterbrochen. Die Mitarbeiter des Pharmaunternehmens Schering werden sich ebenfalls anschließen. „Das ist eine Empfehlung und geschieht unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange“, so Sprecherin Gabriele Liebmann-El Badry. „Das heißt, die Produktionsbänder stehen nicht still.“

Unterdessen ist die Zahl der in Südostasien vermissten Berliner weiter angestiegen. Nach Polizeiangaben gelten jetzt 63 Hauptstädter offiziell als vermisst, darunter drei Kinder. Alle aus der Krisenregion heimgekehrten Urlauber werden gebeten, unter Tel. (030) 6 95 79 91 99 Kontakt zur Polizei aufzunehmen.