Beziehungs-Zauber

Basisdemokratisch seit zehn Jahren und immer working in progress: Das Ensemble Resonanz kontrastiert mit archäologischer Neugier und Sensibilität Epochen und Stile

Suche nach der Buddhaschaft in einem einzigen Ton

Wer hätte nicht auch mal vorgehabt, alles anders und vieles besser zu machen, wenn man ihn nur ließe. Allerdings schwindet dieser Idealismus meist mit der Zeit, und gemeinhin gilt schon der 30. Geburtstag als Sollbruchstelle in der Vita des durchschnittlichen Weltverbesserers.

Dass man seine berufliche Existenz aber sehr wohl auf eine gute Idee und ihre gemeinschaftliche Umsetzung gründen kann, dafür sind die 18 Musiker des Kammerorchesters Ensemble Resonanz ein Beispiel. Vor zehn Jahren gründete sich die basisdemokratische Musiker-GmbH mit dem Vorsatz, in eigener Verantwortung und kollegial statt unter der Fuchtel eines Chefdirigenten, das zu tun, was verbeamtete Orchestermusiker kaum mehr können: die Musik in ihrem ganzen Reichtum von der Renaissance und indischen Ragas bis Rameau und Rihm zu erkunden und in beziehungsvoll komponierten Konzertprogrammen zu vereinen. Um den Widerhall zwischen Epochen und Stilen sollte es gehen, während die meisten Ensembles ihr Heil in der Spezialisierung auf eine Epoche suchten.

Ihrer wenig marktkompatiblen Grundvoraussetzung zum Trotz gibt es die Resonanzler bis heute. Und der Wunder größtes: Es gibt sie seit über zwei Jahren im konservativen Hamburg. 2002 vertauschte man den Ursprungsstammsitz im hessischen Dietz, mit der hiesigen Musikhalle, wo das Ensemble seitdem mit seinen Resonanzen eine eigene Konzertreihe unterhält. Wer nach optischen Kriterien geht, könnte das besondere Engagement des Projekts am bei jedem Konzert mit Rosen dekorierten Foyer der Kleinen Musikhalle festmachen. Musikalisches Markenzeichen ist dagegen ein Hang zum Powerplay: Barockes bis Romantisches kommt mit schnellsten Tempi und starken Akzenten daher – manches klingt wie eine Vorahnung der rhythmischen Aberwitzigkeiten im Paradestück der Resonanzler, der minimal-music-inspirierten Videooper Weather des New Yorker Komponisten Michael Gordon.

Das Betriebsgeheimnis hinter der Lebendigkeit des Ensembles ist, dass man eine Vereinigung von Musikern für Musiker ist. In der Kaderschmiede der Neuen Musik, bei den Darmstädter Ferienkursen, stellt sich das Ensemble regelmäßig der Experimentierlust junger Komponisten zur Verfügung, und im Februar wird es in Hamburg gar eine Dirigentenwerkstatt geben.

Die Frucht dieser Kärrnerarbeit ist, dass man für die Resonanzen renommierte Solisten wie Frank Peter Zimmermann, Marie-Louise Neunecker und Renaud Capuçon oder Dirigenten wie Johannes Kallitzke und Jonathan Nott gewinnen kann, und dass Künstler wie Christian Quadflieg und Ror Wolf für ihre musikalisch-literarischen Grenzgänge die Zusammenarbeit mit dem Ensemble suchen.

Nachdem die Resonanzler im Dezember 2004 ihren zehnten Geburtstag mit musikalischen Tourneemitbringseln aus Kalkutta, New York und Mexiko City gefeiert haben, wenden sie sich am kommenden Freitag ernsteren Themen zu. Mit seinen Lacrimae setzte der englische Lautenvirtuose John Dowland dem modischen Leiden des elisabethanischen Zeitalters, der Melancholie, ein klingendes Denkmal. Der Italiener Giacinto Scelsi dagegen heilte sich Anfang der 1940er-Jahre von seiner seelischen Irritation, indem er nach ostasiatischem Vorbild die „Buddhaschaft“ in einem Ton suchte: Sein Anagamin leuchtet mit den Mitteln eines Streichorchesters die feinsten Nuancen in der Obertonstruktur eines einzigen Tones aus.

Selbst wenn es also stimmen sollte, dass man dem Engagement nur bis zum 30. Jahr trauen darf, wären vom Ensemble Resonanz immerhin noch zwei Jahrzehnte solcher von Neugierde und Elan getragener musikalischer Entdeckungsreisen quer durch alle Stile und Epochen zu erwarten. Ilja Stephan

Resonanzen 3: 14.1., 20 Uhr, Musikhalle