Leiden an der Natur

ALLERGIEN Von Allergien sind immer mehr Menschen betroffen. Besonders Stadtbewohner aus höheren sozialen Schichten leiden unter dem Durcheinander im eigenen Immunsystem. Dagegen helfen oft nur Medikamente, wirksame Naturheilmittel sind rar

Wenn sich der Frühling ankündigt und Pollen durch die Luft fliegen, beginnt für viele Menschen eine monatelange Leidenszeit. In Deutschland schnauben rund 20 Prozent der Erwachsenen und 13 Prozent der Kinder wegen Heuschnupfen-Symptomen in ihre Taschentücher. Allergisches Asthma, Kontakt- und Nahrungsmittelallergien sind ebenfalls weit verbreitet. Der Auslöser ist eine Überreaktion der Abwehrkräfte.

Das Immunsystem soll uns eigentlich vor körperfremden Stoffen schützen, indem es einen komplexen Abwehrmechanismus in Gang setzt. Bei einer allergischen Erkrankung reagiert der Körper aber übermäßig auf eigentlich harmlose Substanzen wie Blütenpollen. Die genauen Ursachen für Allergien sind noch unklar, einen vollständig wirksamen Schutz gibt es nicht.

„Allergien kann man nicht direkt verhindern, da viele Veranlagungen für allergische Erkrankungen genetisch vererbt werden“, sagt Thomas Fuchs, Allergologe an der Universitätsklinik Göttingen. Die allergischen Symptome können aber auch hinaus gezögert werden. Zum Beispiel, indem Kinder früh in Kontakt mit Tieren kommen.

Viele Studien beweisen, dass Umwelteinflüsse bei Allergien eine große Rolle spielen. So fanden Wissenschaftler heraus, dass ostdeutsche Kinder vor 1989 seltener an Allergien erkrankten als Gleichaltrige im Westen. Die Ursachen glauben die Experten in den unterschiedlichen Betreuungstraditionen zu finden.

Ostdeutsche Kinder waren in den Kinderkrippen bereits früh verschiedenen Keimen und Infektionen ausgesetzt. In einer eher sterilen Umgebung bekommt das Immunsystem offenbar weniger Gelegenheiten sich auf körperfremde Stoffe einzustellen. Kinder aus höheren sozialen Schichten und städtischen Ballungszentren leiden deshalb häufiger an Allergien.

Die Behandlungsmethoden sind vielfältig. Mit Mastzellenstabilisatoren oder Antihistaminika wird medikamentös gegen die allergischen Reaktionen vorgegangen. Bei sehr starken Beschwerden verschreiben Ärzte auch Kortisonpräparate. Eine andere Methode gegen Asthma, Heuschnupfen oder Insektenstichallergien ist die Hyposensibilisierung. Hier werden dem Patienten Allergene – also die allergieauslösenden Stoffe – über einen längeren Zeitraum zugefügt, damit sich das Immunsystem an diese gewöhnt.

Es geht aber auch auf natürlichem Wege. „Das einzige Naturmittel, das nachweislich gegen Heuschnupfen hilft, ist ein spezieller Extrakt der Pestwurzpflanze“, sagt Sabine Alban vom Pharmazeutischen Institut der Kieler Christian-Albrechts-Universität. „Dieses Mittel wurde mit Antihistaminika verglichen und kann mit diesen mithalten.“

In Deutschland ist der Wirkstoff der Pestwurzel noch nicht zugelassen. In der Schweiz ist aber ein Medikament mit dieser Substanz bereits zugelassen und kann auf Rezept über einige Apotheken in Deutschland importiert werden.

Soweit es möglich ist, sollten Allergiker die Allergene meiden, sagt der Allergologe Thomas Fuchs. Leicht gesagt, wenn es um bestimmte Lebensmittel oder Haustiere geht. Pollenstaub allerdings können Allergiker nur schwer entkommen. Abhilfe schafft da unter anderem die Allergie-Internetseite der Fachhochschule Mainz. Eine laufend aktualisierte Pollenflugkarte informiert Betroffene kostenlos über die regionalen Messwerte von Gräsern, Birke oder Beifuß.HELGE SCHWIERTZ