pimp up my bike von GERALD FRICKE
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Meine olle Möhre ist schon wieder kaputtski. „Du hättest den Esel einfach nur regelmäßig öööln müssen“, sagt mein Freund Frank. Na toll, wie früher. Ich musste immer mit meinem lahmen Fuchs drei Kilometer weit die Bundesallee entlangschieben, zu einem alten Mann, der nie ein Wort sprach, denn in unserer Siedlung war der tertiäre Dienstleistungssektor unterentwickelt.

Der gedrungene Veteran wohnte und arbeitete in einer längst versiegten, schachtelförmigen Tankstelle der Fünfzigerjahre. Davor stand ein DAF ohne Farbe, von dem es hieß, er könne mit seiner Automatik rückwärts genauso schnell wie vorwärts fahren. Es roch nach Umkleidekabine und Schulmädchenreport. Ich sagte dann „Äh, der Schlauch hinten …“ oder „die Bremse …“. Der Kantige sog nüchtern ein, nahm den Bleistift hinterm Ohr hervor, schrieb das auf einen roten Zettelblock, riss den ersten Zettel ab, darauf stand gedruckt „Auftragsnummer“ und frisch handgekrakelt „Brzäms vegii agrtz“, und klemmte diesen wetterfesten Wisch unter den Gepäckträger. „Morgen fertig?“, fragte ich und bekam keine Antwort. Lino Ventura nickte nur kurz in Richtung Kettenöl. Schreckliche Kindheitserinnerungen.

„Öööln!“, dieser Satz besorgt mir noch heute Albträume. Ich werde von patenten Blaumännern und sprechenden Schraubschlüsseln vor Gericht gestellt. Fatwa. Meine Oma, meine Schwester und der Hausmeister treten als Nebenkläger auf. „Jaha, so ein Oberarsch war er schon immer“, ertönt der Chor der Rache. Genau so! „Moderne Arbeitsteilung“ hätte ich das in meiner Scheiß-Ironie immer genannt. Der eine pflegt, der andere fährt. „Er konnte nicht Rasen mähen oder den Gartenmüll wegbringen, wegen Stauballergie.“ Jetzt auch noch meine Mutter! „Dem Hund hat er auch nie die Zecken rausgebohrt“, legt sie nach. Ich hätte immer nur gesagt, „scheckheftgepflegt, das liebe Tier“, aber das hätte die Familie nie witzig gefunden.

Dazu quetscht mir der alte Lateinnachhilfelehrer meine Finger im Takt mit der Knoblauchpresse, die ich nie gesäubert hätte. „So, die kleinen Fingerchen sind also zu fein zum Putzen, harhar.“ – „Na, das haben wir doch gleich“, gießt mein ehemaliger WG-Mitbewohner noch zusätzliches Spüli ins Feuer dieser albernen Szenerie und zieht meine Hände einmal brutal durch eine ölige Kette. „Lieber gleich neu kaufen als reparieren, was“, ereifert sich der böse tobende Mann. Ssssst!

Aber es nützt nichts. Heute schiebe ich mein müdes Kraftwerk durch unser alternatives Lehrerviertel. Schwerer Plattfuß, trotz angeblich unkaputtbarem „Marathon“-Reifen. Die postmodernen Repariermänner hier stellen sich und ihre Kunstwerke in ihren Manufakturen aus. An den geleckten Wänden baumeln Pedalo-Fetische im Wert von Einfamilienhäusern. Auf meinen unwürdigen Supermarkt-Treter haben sie gerade gewartet. Beim Abholen lerne ich auf der eindrucksvollen Rechnung immerhin ein neues Wort: „Kleinteile-Entsorgungspauschale“. Die drei Schräubchen im Mülleimer werden also nicht einzeln berechnet, da kann man ja nicht meckern. Zum Abschied säuselt es leise: „Sie hätten einfach nur regelmäßig aufpumpen müssen!“