Die Technik allein genügt nicht

Das Potsdamer Geoforschungszentrum soll eine führende Rolle beim Aufbau eines Tsunami-Warnsystems im Indischen Ozean übernehmen. Ein deutsches Konzept soll nächste Woche auf der UN-Katastrophentagung in Japan vorgestellt werden

Deutschland ist weltweit führend bei Echtzeit- Frühwarnsystemen

VON WOLFGANG LÖHR

Deutschlands Beteiligung am Aufbau ein Tsunami-Warnsystems im Indischen Ozean ist von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Chefsache erklärt worden. Nachdem seine Forschungsministerin Edelgard Bulmahn schon in der vergangenen Woche verkündete, dass „wir innerhalb von ein bis drei Jahren ein leistungsfähiges Frühwarnsystem aufbauen können“, stellten nun gestern Wissenschaftler des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ) auf Einladung des Kanzlers in Berlin ein von ihnen ausgearbeitetes Konzept vor.

Die Potsdamer Forscher sind im Auftrag von Forschungsministerin Bulmahn aktiv geworden. Bulmahn möchte nicht nur, dass Deutschland eine führende Rolle beim Aufbau eines Tsunami-Warnsystems im Indischen Ozean einnimmt. Für sie scheint auch beschlossene Sache zu sein, dass das Potsdamer Forschungszentrum in Deutschland die Federführung bei der Entwicklung des Warnsystems übernimmt.

Die Potsdamer können dabei vor allem auf ihre umfangreichen Erfahrungen im Bereich der Erdbebenforschung und dem damit verbundenen Risikomanagement zurückgreifen. So wird unter anderem auch die „Deutsche Task Force Erdbeben“ von einem GFZ-Forscher, dem Seismologen Jochen Zschau, geleitet. Die Task Force ist immer dann schnell vor Ort, wenn es darum geht die Folgen von Erdbeben zu untersuchen. Auch sei „Deutschland weltweit führend bei Echtzeitfrühwarnsystemen“, heißt es dazu im Forschungsministerium. Regionale Schwerpunkte bei der Geo-Risikoforschung habe das GFZ vor allem in den Regionen Zentralasien, Südamerika, östliches Mittelmeer und Südostasien. Ministerin Bulmahn habe daher auch das GFZ mit der Ausarbeitung eines Konzepts für ein Warnsystem beauftragt.

Um das Warnsystem möglichst schnell in Betrieb zu setzen, will das GFZ vor allem auf die rund 50 seismologischen Messstationen setzen, die derzeit schon von den Potsdamer Forschern für Erdbebenmeldungen genutzt werden. Um die Lücke im Messnetz, im Indischen Ozean, zu schließen und damit die Vorwarnzeit noch weiter zu verringern, genüge es nach Ansicht der Potsdamer Forscher dort noch bis zu 40 weitere Seismometer zu installieren.

Bei einem Seebeben ab einer bestimmten Stärke soll dann automatisch eine Warnung im Internet veröffentlicht werden. Zeitgleich wird die Warnung auch als E-Mail und Handy-Mitteilung (SMS) an alle Abonnenten übermittelt. Dieser Warndienst soll für jedermann zugänglich sein.

Laut Bulmahn wurden für diese erste Stufe des Systems Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro veranschlagt. Erst später soll dann das Netz von Messstationen noch enger werden. Bis zu 250 zusätzliche Stationen sollen dann noch aufgebaut werden.

Noch ist jedoch unklar, welche Rolle Deutschland beim Aufbau des Warnsystems tatsächlich spielen wird. Denn die Industrienationen scheinen derzeit einen regelrechten Wettbewerb um die Führungsrolle zu veranstalten. Auch die USA, Japan und Australien haben schon Zusagen abgegeben, bei dem Aufbau mit Geld und Know-how behilflich zu sein.

Gestern wurde in Berlin erst einmal beschlossen, dass die Bundesregierung ein eigenes Konzept nächste Woche auf der „UN-Weltkonferenz zur Reduzierung von Katastrophenschäden“ einbringen wird. Auch wird das Warnsystem nicht ohne Beteiligung der am Indischen Ozean liegenden Staaten eingerichtet werden können.

Die Koordination wird die UN-Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft (Unesco) übernehmen, erklärte gestern deren Generaldirektor Koichiro Matsuura. Er schätzt die Kosten für dieses Regionalwarnsystem auf 30 Millionen US-Dollar ein. Die jährlichen Betriebskosten würden ein bis zwei Millionen Dollar ausmachen.

Funktionieren kann das Warnsystem jedoch nur, wenn in den Ländern auch die entsprechenden Kommunikationsstrukturen ausgebaut werden. Was nützt eine schnelle Warnung, wenn die Menschen vor Ort nichts davon erfahren. „Die Technik allein reicht nicht“, meint auch Thomas Schubert von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Das Bundesinstitut ist unter anderem am Ausbau von Schutzsystemen für den Katastrophenfall in Indonesien beteiligt. Inwieweit das BGR, das Alfred-Wegner-Institut in Bremerhaven oder auch das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften der Universität Kiel in die deutsche Initiative eingebunden werden, scheint noch in der Diskussion zu sein. Aus deren Reihen war in den letzten Tagen Kritik zu hören. Sie sahen sich vom Potsdamer GFZ ausgeschlossen.