Nach dem Urteil das große Geschäft

Die Republik wartet, wohin das Karlsruher Studiengebührenpendel schwingt. Banker bereiten inzwischen Big Business mit den Studenten vor, die eine Million Bildungskredite zur Gebührenfinanzierung brauchen. Mit einer Risikoabsicherung könnte der Deal attraktiv werden – zum Beispiel für die KfW

Die Geschäftsbanken warten bei den Bildungskrediten, bis der Staat die Risiken absichert“ Manche StudentInnen sind bereits jetzt „gute Risiken“, denn sie studieren Fächer, die zum Arbeitsmarkt passen

VON ALEXANDER ROSS

Das große Geschäft wird auf der Basis von Gerüchten gehandelt. Die KfW bereite im großen Stil Kredite für Studenten vor. Bahnt sich da eine Geheimoperation der Kreditanstalt für Wiederaufbau an, der Hausbank der Bundesregierung für die Finanzierung politischer Geschäfte? Vorbereitet am Küchentisch in Hannover – und damit am Kabinettstisch und an der Gebührengegnerin Edelgard Bulmahn vorbei?

Wohl kaum. Die KfW selbst lud ganz unexklusiv bereits im Dezember 2003 zum „Ersten KfW-Bildungsforum“ nach Berlin ein. Sie ließ über Studienfinanzierung und die Notwendigkeit einer Reform diskutieren. Die 1948 mit Marshallplan-Geldern gegründete staatliche Förderbank bringt sich offen sichtbar bei Studiengebühren in Position. Wenn das Verfassungsgericht die ewige Causa kommende Woche entscheidet, könnte die KfW das nötige Kleingeld für die Studenten beisteuern. Eine Frage, die auch den Kanzler nicht kalt lässt – immerhin ließ die SPD für das Megathema Bildung sogar die Föderalismuskommission platzen.

Gerhard Schröder könnte mit der KfW auf die bewährte Allzweckwaffe des Staates für den Kapitalmarkt zurückgreifen: Ob Post- oder Telekom-Anteile zu platzieren, Exportkredite oder Entwicklungshilfemaßnahmen zu finanzieren sind – immer ist die stetig gewachsene Frankfurter Bankengruppe dabei. Sogar wenn der grüne Häuslebauer seine Heizung erneuert oder das Solardach aufstockt. Durch die Eingliederung der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) erhielt die KfW-Gruppe zuletzt ein neues Betätigungsfeld: die Bildungsfinanzierung.

Für KfW-Vorstandssprecher Hans Reich ist es ein strategisches Feld. Zwar sei die Bildungsfinanzierung für die KfW vom Volumen her noch das kleinste Feld, stellte Reich im Mai 2004 bei der Vorlage der Bilanz fest. Aber mit einem Anteil von 25 Prozent aller Kredite steht sie bereits an zweiter Stelle nach der Wohnungswirtschaft. Immerhin wurden 2004 mit dem Meister-BAföG für 45.000 angehende Handwerksmeister und Krediten an 12.000 Studenten im Hauptstudium bereits rund 800 Millionen Euro bereitgestellt. Kommt es zur Gebührenfreiheit, könnten eine Million Studenten als potenzielle Kreditkunden keine undenkbare Perspektive zu sein.

Sorgen ums Geld muss man sich bei der KfW nicht machen: In der internationalen Bankenwelt ist die Staatsbank bestens angesehen. Mit der Bonität „Triple-A“-Rating“ ist sie eine bessere Adresse als so manche bekannte Geschäftsbank. In der KfW haben die Anteileigner den Föderalismusstreit auf ihre Weise gelöst: Sie gehört zu 80 Prozent dem Bund, den Rest halten die Länder. Nur das Bildungsministerium gibt sich derzeit noch zugeknöpft bei der Frage, warum der größere Partner die Kreditzeche zahlen soll – wenn es doch nur eine Handvoll Bundesländer sind, die Studiengebühren wirklich wollen.

Dabei existieren Studienkreditsysteme bereits in mehreren Ländern, meist nicht von privater Seite bereitgestellt, sondern vom Staat. Der Grund ist ein von Ökonomen so genanntes Kapitalmarktversagen: Banken als Kreditgeber können die Fähigkeiten des einzelnen Studenten nur begrenzt einschätzen, ebenso sein zukünftiges Einkommen im Beruf. Oft können Studenten auch keine Sicherheiten stellen, wodurch der Kreditgeber einen Risikoaufschlag kalkulieren muss. Jede Geschäftsbank kann zudem auswählen, wem sie Kredite für welches Vorhaben gewährt – da kann es schnell heißen: Medizinstudium ja, Finnougristik eher nicht. Die Rückzahlung bei Arbeitslosigkeit oder niedrigem Einkommen ist eine weiteres Problem in einer Reihe von Indizien, die bei einem Marktversagen einen staatlichen Eingriff in die Finanzierung notwendig erscheinen lassen.

Eine zentrale Frage ist dabei: Wie sichert der Staat die Sozialgerechtigkeit eines Kreditangebots für Studiengebühren? Reinhold Weiß, Bildungsökonom vom Institut der Deutschen Wirtschaft: „Es läuft bislang auf die KfW hinaus.“ Die Bank ist bei BAföG und Bildungskrediten bereits aktiv. In der Sprache der Banker sind beides „Finanzierungsprodukte“. Auch der Kontakt zum studentischen Kunden ist bereits vorhanden – über öffentliche Stellen wie das Bundesverwaltungsamt oder die Ämter für Ausbildungsförderung.

In Deutschland sind die privaten Hochschulen Vorreiter bei kreditbasierter Studienfinanzierung: Da sie meist nur ein Studienfach anbieten – wie etwa Management an der Handelshochschule Leipzig, Jura an der Bucerius Law School in Hamburg oder künftig Politik an der Hertie School of Governance in Berlin –, finden sich auch leichter örtliche Finanzierungspartner, so Hans-Georg Helmstädter von der Handelshochschule: „Man kennt die Uni, die Qualität des Studiums wie die Berufsaussichten und eben oft auch die Studenten persönlich.“ Wahr ist aber auch: Diese Studenten gelten als „gute Risiken“, denn sie studieren Fächer, die eine gute Aufnahme auf dem Arbeitsmarkt vermuten lassen.

Bei den Geschäftsbanken hält man sich dennoch bedeckt. Man sei vorbereitet, ist zu hören, wolle aber noch nichts Genaueres sagen. Doch es könnte auch andere Gründe haben. Wer als Student bislang versuchte, einen zinsgünstigen Kredit für seine Ausbildung zu bekommen, erhielt gerade von den Großbanken nicht immer ernst zu nehmende Angebote. So vermutet IW-Forscher Weiß denn auch: „Es könnte sein, dass die Geschäftsbanken bei den Bildungskrediten warten, bis der Staat die Rahmenbedingungen setzt, die dann die Konditionen bestimmen.“

Die Geschäftsbanken brauchen zum Management der Kreditrisiken einen Sekundärmarkt, ähnlich wie bei Versicherungen, die in ihrem Bereich mit großen Gesellschaften wie der Münchner Rückversicherung zusammenarbeiten. Selbst für Bildungskredite gibt es einen Sekundärmarkt, etwa in den USA mit dem Bildungsfinanzierer Sallie Mae: Mit ihren Krediten im Umfang von 72 Milliarden US-Dollar zählt sie zu den 100 größten Unternehmen der USA.

Dass Studenten manchmal ein unkalkulierbares Risiko sind, wissen Politiker, Uni- wie Polizeipräsidenten aus Erfahrung. Den Banken steht dies noch bevor. Ohne staatliche Rückversicherung dürften es daher private Anbieter schwer haben, Studienkredite bereitzustellen. Die KfW jedoch kennt sich mit der Kreditversicherung bestens aus, hat sie doch die halbe New Economy in Deutschland finanziert: Während des Gründungsbooms der Jungunternehmer in den späten Neunzigern wagten die Kapitalgeber nur das Risiko, wenn es ihnen zur Hälfte abgenommen wurde – durch entsprechende Ausfallbürgschaften. Gerhard Schröder sprach bei der Eröffnung der KfW-Dependance in Berlin 2001 vom „Chancenkapital“ – heute hängen einige Wahlchancen damit zusammen.

Die Bildungskredite haben viele Fürsprecher. Selbst die Expertenkommission „Lebenslanges Lernen“ des Bildungsministeriums plädiert dafür. Auch die Arbeitgeberverbände machen sich in ihrem Studiengebühren-Modell für KfW-Kredite stark: ein staatlich finanziertes Darlehen von maximal 35.000 Euro, rückzahlbar nach dem Studium. Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kann dies das Studium ohne Nebenjobs beschleunigen. Es koste die Studenten weniger als ein überflüssiges Jahr an der Uni und das entgangene Einkommen. Ob die Rechnung stimmt, hängt stark von den Arbeitgebern selbst ab: indem sie Studienabgängern auch Arbeit und Einkommen ermöglichen.