„Bush ist nicht dumm, aber intellektuell faul“, sagt William Quandt

Morgen beginnt George W. Bushs zweite Amtszeit. Viel ändern wird sich nicht – erst recht nicht zum Besseren

taz: Mister Quandt, werden wir in der zweiten Amtsperiode von George W. Bush einen anderen Präsidenten erleben?

William Quandt: Allgemein erwartet man das von Präsidenten – weil dann ja keine Wiederwahl und Rücksichten mehr anstehen. Bei Bush sehe ich aber keine Anzeichen für eine Veränderung. Die Bush-Regierung glaubt, dass ihre Politik in den letzten vier Jahren korrekt war. Nur Colin Powell hat die US-Politik im Irak und im Nahen Osten skeptisch beurteilt – und der ist nun weg. Die Architekten der gegenwärtigen Politik, Cheney, Rumsfeld, Condoleezza Rice und viele Neocons in der zweiten Reihe – sie alle bleiben. Die US-Außenpolitik wird nicht neu überdacht.

Diese Politik scheint im Irak aber nicht so gut zu funktionieren.

Das ist der einzige Grund, warum sich vielleicht etwas ändern könnte. Wahrscheinlich wird die Irakpolitik ständig angepasst werden, damit die öffentliche Meinung in den USA nicht kippt. Momentan unterstützen etwa 50 Prozent die Außenpolitik im Irak, und 50 Prozent sind dagegen.

Und was passiert im Verhältnis zum „alten Europa“?

Bush wird einige Gesten gegenüber den europäischen Alliierten machen – etwas mehr Zusammenarbeit, aber zu US-Bedingungen. Es ist kein Gespür dafür vorhanden, dass wir uns wirklich mehr mit den Positionen der Europäer befassen sollten.

Welche Gesten?

Es wird mehr Beratungen zum Nahen Osten geben. Offensichtlich hat Bush sich Tony Blair gegenüber verpflichtet, wenigstens etwas im israelisch-arabischen Friedensprozess zu unternehmen. Was, bleibt offen. Falls die Europäer einen substanziellen Nahostplan auf den Tisch legen, glaube ich nicht, dass die Bush-Regierung ihn akzeptieren würde.

Ändert die Wahl von Abbas die Haltung der Bush-Regierung denn nicht?

Abbas gilt in Washington als vernünftig und gemäßigt. Aber auch da sehe ich keine große, neue Strategie. Die Bush-Regierung wird weiter auf kleine Schritten setzen, wie Scharons Gaza-Initiative. Die Bush-Regierung hat nach wie vor eine sehr unilateralistische Geisteshaltung gegenüber der Welt.

Aber das positive Verhältnis der USA zu Scharon belastet zusehends die Beziehung der USA zur muslimischen Welt und auch zu Europa. Begreift die Bush-Regierung das?

Dies ist eine Erkenntnis, die dort auf starken Widerstand stößt. Der größte Teil der Bush-Regierung hält Scharon für eine Hoffnung für Frieden im Nahen Osten. Mögliche Kritiker von Scharon wie Colin Powell, Richard Armitage und William Burns – sie alle gehen. Zudem ist Kritik an Israel angesichts der Koalition zwischen Likud und Arbeitspartei noch unwahrscheinlicher.

Wie trifft Bush eigentlich Entscheidungen?

Manche sagen, dass seine Außenpolitik mehr mit seine ideologischen und sogar religiösen Überzeugungen als mit der Realität zu tun hat. Da ist was dran. Aber keine Regierung kann die Realität ignorieren. Sollte sich die Lage im Irak verschlechtern, werden Kongressmitglieder, und zwar auch prominente Republikaner, Kritik üben. Doch diese Kritik hat noch kein Crescendo erreicht.

Warum hält Bush so hartnäckig an Rumsfeld fest?

Bush hält ihn für einen erfahrenen Politiker. Wir sind im Krieg, warum sollte Bush ihn mitten in einem erfolgreichen Feldzug – so denkt er schließlich – loswerden wollen? Nur weil er eine lose Zunge hat?

Condoleezza Rice wird Außenministerin. Warum hat Bush sie ausgesucht?

Er hat in den vier vergangenen Jahren vermutlich jeden Tag mit ihr gesprochen. Irgendwie ist es ihr gelungen, ein gutes Arbeitsverhältnis mit Bush zu entwickeln. Rice hat die Sachverhalte für Bush so vereinfacht, dass er ein Verständnis von Außenpolitik entwickeln konnte, ohne Geschichte oder Komplexität internationaler Beziehungen verstehen zu müssen. Bush ist nicht dumm, aber er ist intellektuell faul. Er ist auch nicht sehr wissbegierig, also war Rice klug genug zu verstehen, dass sie ihm Zusammenhänge im Schnellverfahren erklären musste. Sie hat ihn mit so viel Hintergrund versorgt, dass Bush mit Israel und der Außenpolitik fertig wurde, ohne sich lächerlich zu machen. Er schätzt auch die Art, wie sie ihm begegnet. Er fühlt sich ihr gegenüber nicht unterlegen. Hinzu mag kommen, dass sie jünger und eine Frau ist.

Bedeutet die Ernennung von Condoleezza Rice eine Verschiebung nach rechts?

Im Außenministerium, ja. Das Außenministerium unter ihrer Führung wird wichtiger sein als unter Powell.

Ist sie eine Realistin? Glaubt sie an „soft power“?

Früher war sie eine ziemlich klassische, konservative „Balance of Power“-Realistin. Aber jetzt ist sie lange genug von Bush Neocons umgeben gewesen und hat deren Ideologien übernommen. Also der missionarische Demokratie-Export und die enge Beziehung zu Israel. Bush hat Scharon 2004 gegenüber große Zugeständnisse gemacht – die hat alle Rice verhandelt. Rice würde aber nie, wie Zbigniew Brzezinski und Brent Scowcroft das vor kurzem gefordert haben, dem arabisch-israelischen Konflikt eine Lösung aufzwingen. INTERVIEW:

MONIKA JUNG-MOUNIB