Ornament und Klinker

„Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen“: Das Buch „Die Usbekische Botschaft in Berlin“ lädt dazu ein, sich dem schönen Zauber fremder Wappen hinzugeben

Fernweh ist eine feine Sache und will stimuliert werden. Genau das richtige Maß an Reiselust vermittelt mir stets der Anblick einer diplomatischen Vertretung. Das amerikanische Konsulat meiner Heimatstadt war ein verwunschener Ort meiner Kindheit. Die Fahne aus dem Fernsehen flatterte davor, drin-nen gab es die Eintrittskarte für das Land der Cowboys und Indianer. Als ich groß genug war, um in die USA zu fahren, war die Visumausstellung auf die Einreise verschoben worden und das Konsulat geschlossen.

Was blieb, war der Zauber fremder Wappen, und da bietet Berlin von Monat zu Monat mehr, zum Beispiel Usbekistan: Taschkent, Buchara, Samarkand, Perle des Orients, Reichtümer aus Tausendundeiner Nacht und andere Bodenschätze – ein geschätzter Partner des Westens, wenn auch mit Demokratiedefiziten. In Berlin residiert das Land in der Perleberger Straße 62, und wer gerade keine Reise an die Seidenstraße plant, muss sich nicht mit einem Blick über den Zaun begnügen, sondern kann in einem hübschen Buch blättern und sich über die Geschichte des Gebäudes informieren.

Der rot-gelbe Klinkerbau wurde zwischen 1879 und 1881 als „Offiziers-Speiseanstalt“ errichtet. Nach dem Sieg gegen Frankreich konnte das junge Deutsche Reich, um 5 Milliarden an Reparationen reicher, aus dem Vollen schöpfen und seinen verdienten Offizieren eine Kantine im italienischen Villenstil spendieren. Nach dem 2. Weltkrieg wurde aus der Offiziersmesse ein Volkshaus, zuletzt eine Unterkunft für Asylanten, dann lag das Gebäude brach, bis es 1999 die frisch selbständig gewordene ehemalige Sowjetrepublik als zukünftige Botschaft kaufte.

Im Juli 2000 begann der Umbau. Die 60 eingeflogenen Handwerker gingen auf ihrer exterritorialen Baustelle mit so viel Begeisterung zur Sache, dass nach nur 9 Monaten die Arbeiten abgeschlossen werden konnten und die Baukosten halbiert wurden. Selbst die Diplomaten halfen an den Wochenenden mit. Das Ergebnis: Das denkmalgeschützte Kasino wurde originalgetreu rekonstruiert, der östliche Gebäudeflügel mit dem großen Saal unter Verwendung landestypischer Materialien wie Marmor und Granit gestaltet, hinzu kommen Kristalllüster und vor allem die von usbekischen Meistern gestalteten Gipsschnitzereien („Gantsch“) mit floral-geometrischen Ornamenten.

Den Garten durchzieht ein orthogonales Wegesystem, für europäische Barockgärten ebenso charakteristisch wie für zentralasiatische Zieranlagen. Ein „Beispiel für eine harmonische Verbindung zwischen den Traditionen der abend- und morgenländischen Baukunst“ lobt der seit Sowjetzeiten regierende Präsident. Als autoritär regierender Landesvater wird er das wilhelminische Erbe zu schätzen wissen – Otto Schily entgegnet mit Goethe, dass „wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“

CARSTEN WÜRMANN

„Die Usbekische Botschaft in Berlin. Diplomatische Vertretung und kulturelle Institution“. Hrsg. von Philipp Meuser. Verlagshaus Braun, 64 S., 19,90 Euro