Große Welle der Solidarität mit kleiner Frau in Not

CHINA Eine junge Frau wird zur Volksheldin, weil sie einen Funktionär ersticht, der sie vergewaltigen wollte. Sie wird zum Symbol für den Widerstand der kleinen Leute gegen die Arroganz der Mächtigen

PEKING taz | Noch vor wenigen Tagen war Deng Yujiao eine Unbekannte in China – eine unzähliger junger Frauen, die dort in Hotels, Massagesalons, Bordellen und Badehäusern arbeiten. Doch dann erstach sie einen Funktionär, der sie, wie sie sagt, vergewaltigen wollte. Seitdem ist der Name der 21-Jährigen in aller Munde, ihr Foto kursiert im Internet: Deng Yujiao wurde Symbol für den Widerstand der kleinen Leute gegen die Arroganz der Macht und den Kampf der Frauen gegen sexuelle Gewalt.

In der Peking-Universität demonstrierten Studentinnen für sie. „Jede könnte eine Deng Yujiao werden“, riefen sie. So heftig debattieren Chinas Zeitungen und Internetforen Dengs Fall, dass die Regierung die Medien anwies, das Thema fallen zu lassen. Nicht alle halten sich daran.

So berichtete die Südliche Metropolenzeitung über die Ereignisse am 10. Mai im Erdgeschoss des Xiongfeng-Hotels der zentralchinesischen Provinz Hubei. Die Herberge mit Karaokezimmern, Fußpflege- und Massageräumen war wie viele solcher Etablissements in China zugleich ein Stundenhotel. Als die Fußpflegerin Deng sich weigerte, einer Gruppe Männern „spezielle Dienste“ zu bieten, wurden sie wütend. Einer begann ihr die Kleider vom Leib zu reißen. „Glaubst du, wir sind zu alt? Wir sind gekommen, um Geld auszugeben, und du wirst uns, verdammt noch mal, zu Diensten sein“!, rief ein anderer und warf mit Geld. Wie Deng später sagte, griff sie in ihrer Bedrängnis ein Obstmesser und stach auf beide ein. Deng Guida, ein 44-jähriger Funktionär für Wirtschaftsförderung, verblutete. Sein Kollege wurde leicht verletzt.

Deng stellte sich der Polizei, die sie der „vorsätzlichen Tötung“ beschuldigte und festnahm. Freiwillige Rechtsberater und Frauenrechtlerinnen reisten aus anderen Teilen Chinas nach Yesanguan, den Ort des Geschehens, um ihre Solidarität mit der Fußpflegerin zu zeigen. Dass die Sympathien der Öffentlichkeit so klar aufseiten der Frau liegen, verrät, wie schlecht der Ruf örtlicher Funktionäre ist, die sich aus der Staatskasse Bankette, Bordellbesuche und Mätressen finanzieren.

Für Frauen ist es oft unmöglich, vor Gericht Recht zu bekommen, weil die Richter eher den Kadern glauben – wenn es überhaupt zu Vergewaltigungsprozessen kommt. Dengs Anwälte wollen auf Selbstverteidigung plädieren. JUTTA LIETSCH