„Frauen müssten nach unten heiraten“, sagt Hans-Peter Blossfeld

Frauen und Männer finden keine Partner oder fühlen sich zu unsicher zum Kinderkriegen. Warum eigentlich?

taz: Nach neueren Umfragen sind die niedrigen Geburtenraten in Deutschland auch darauf zurückzuführen, dass angeblich vielen Frauen und Männern der geeignete Partner fehlt. Ist das auch Ihre Einschätzung?

Hans-Peter Blossfeld: Die Bereitschaft, eine Partnerschaft einzugehen, zu heiraten und Kinder zu haben, hängt stark davon ab, dass man seine Ausbildung abgeschlossen und eine berufliche Position mit Perspektive erreicht hat. Die Geburtenrate ist deswegen auch eine Frage der wirtschaftlichen Sicherheiten, und diese sind im Rahmen der Flexibilisierung und Globalisierung in der Wirtschaft gesunken.

Heißt das, Frauen und Männer fühlen sich beruflich zu unsicher, um Kinder in die Welt zu setzen?

Nach unseren international vergleichenden Forschungen im Globalife-Projekt treffen die Folgen der Globalisierung heute vor allem die Berufseinsteiger. Die bekommen häufig nur noch befristete Arbeitsverträge oder arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Gerade junge Männer, die noch die traditionelle Rolle des Familienernährers vor Augen haben, können sich daher nicht für ein Kind entscheiden. Das ist der Hintergrund für das Paradox, dass gerade in Ländern wie etwa Spanien oder Italien, in denen Familie und Elternschaft wichtige Werte sind, die Geburtenrate besonders stark fällt. Dort wird die traditionelle Männerrolle durch die Globalisierung erschüttert, und die Frauen haben es schwerer, Familie und Beruf zu vereinbaren, weil die Institutionen fehlen.

In den USA können sich die Leute aber auch nicht auf einen festen Job fürs Leben verlassen. Trotzdem sind die Geburtenraten dort hoch.

Richtig. Das ist der Unterschied zwischen absolut vorhandener Unsicherheit und der subjektiv empfundenen Unsicherheit. In den USA sind die Leute gewohnt, dass sie keine sichere Beschäftigung fürs Leben haben. Dort verliert man leichter den Job, findet aber auch eher einen neuen. Bei uns haben die jungen Leute zunächst das Problem in das Beschäftigungssystem hineinzukommen und danach haben sie Angst, herauszufallen, weil sie wissen, dass es sehr schwierig ist, wieder hineinzugelangen.

Welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Frauen?

Das Erwerbsverhalten der Frauen kommt zur Verunsicherung der Männer hinzu. Doppelkarrieren machen die Familienplanung schwieriger, zumal an junge Paare heute ja hohe Anforderungen gestellt werden, was die Mobilität betrifft. Die niedrigen Geburtenraten haben deshalb nichts mit Egoismus oder mehr Wahlfreiheit zu tun, im Gegenteil: Die Leute haben heute nicht deshalb keine Kinder, weil sie nicht wollen, sondern weil sie häufig in Situationen sind, in denen es nicht „vernünftig“ ist, sich für Kinder zu entscheiden.

Apropos Wahlfreiheit: Laut Studien haben es hoch qualifizierte Frauen schwerer, einen Partner zu finden. Sie sind häufiger kinderlos als die gleich qualifizierten Männer. Und Männer, die weniger Gehalt nach Hause bringen, bleiben öfter ohne Nachwuchs als Hochverdiener …

Das liegt am Partnerwahlverhalten, das noch immer traditionelle Züge trägt. Im Grunde ist es ein statistisches Phänomen: Männer heiraten vom Bildungsniveau her gesehen häufig entweder gleich qualifizierte Frauen oder Frauen, die einen niedrigeren Bildungsabschluss haben. Frauen hingegen wählen in der Regel einen gleich qualifizierten Partner oder einen höher Gebildeten. Wenn nun die Frauen immer qualifizierter werden, was ja heute der Fall ist, dann verringert sich der Pool an Männern, aus dem sie ihren Partner wählen können und wollen.

Frauen müssten es also den Männern gleichtun und sich auch für Partner entscheiden, die gewissermaßen beruflich unter ihnen stehen?

Rein statistisch ja. Heute müssten etwa 18 Prozent der Frauen nach unten heiraten, damit das ausgeglichen ist. In Wirklichkeit tun dies aber nur 8 Prozent der Frauen, viele qualifizierte Frauen leben als Single. Denn eine Ehe, wo, sagen wir mal, eine Akademikerin einen Handwerker heiratet, trifft heute immer noch auf sehr viele Ressentiments. Sie verstößt gegen die gesellschaftlichen Regeln. Diese Frauen müssen sich im Alltag immer wieder für ihre Wahl rechtfertigen. Diese Partnerschaften und Ehen tragen auch ein höheres Risiko, zu scheitern. Da sind die herrschenden Geschlechterrollen noch sehr stark, und darunter leiden dann letztendlich doch wieder die Frauen.

Heutzutage gibt es ja einen überbordenden Partnerschaftsmarkt, mit Internet Chatrooms, Blind Dates und Speed Dating. Erleichtern sie die Partnersuche?

Wir wissen, dass der Partnerschaftsmarkt für hoch Qualifizierte im Lebenslauf sehr schnell eng wird, wenn die Akademiker die Universität verlassen. Während des Studiums, da erscheint das noch alles sehr offen, man hat einen Partner, trennt sich wieder und glaubt, dass das immer so weiter geht. Wenn die Leute aber dann erst mal in einem Beruf Fuß gefasst haben, binden sie sich doch sehr schnell. Dann schließt sich das Fenster innerhalb von wenigen Jahren. Kann sein, dass man dann auf Ideen kommt, es über Chatrooms oder Dating-Agenturen zu versuchen.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH