Friedensdynamik dank Tsunami

Indonesiens Regierung und die Rebellenbewegung Freies Aceh sprechen wieder miteinander. Vom Treffen in Finnland wird ein formaler Waffenstillstand erwartet

Indonesien schickte die hochrangigste Delegation, die je mit den Rebellen verhandelte

BERLIN/STOCKHOLM taz ■ Eine Delegation der indonesischen Regierung und Exilvertreter der separatistischen Rebellen der „Bewegung Freies Aceh“ (Gam) aus Schweden und Malaysia sind gestern zu Friedensgesprächen in Finnlands Hauptstadt Helsinki eingetroffen. Einzelheiten über die von der Organisation Crisis Management Initiative (CMI) des finnischen Expräsidenten Martti Athisaari vermittelten Gespräche wurden nicht bekannt. So ist unklar, ob bei dem Treffen in einem Hotel beide Seiten überhaupt direkt miteinander sprechen oder Boten hin- und herschicken. Der Gesprächsbeginn wurde für gestern Abend oder heute erwartet, das Ende ist wohl Sonntag. Dann will Ahtisaari um 16 Uhr vor die Presse treten.

Indonesien ist mit den Ministern für Sicherheit, Justiz und Information vertreten und damit der hochrangigsten Delegation, die je mit der Gam sprach. Das gilt als Zeichen, dass die seit Oktober amtierende Regierung von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono den Gesprächen wirklich Gewicht beimisst. Zunächst hatte laut Medienberichten auch Außenminister Hassan Wirajuda teilnehmen sollen. Doch hätte dies Gam diplomatisch aufgewertet, die Jakarta als innenpolitisches Problem sieht.

Die Regierung bietet Aceh eine Autonomie und den Rebellen eine Amnestie sowie Hilfen bei der Eingliederung ins Zivilleben an. Verhandlungen über eine Unabhängigkeit Acehs schließt die Regierung aus. Die Rebellen dagegen wollen am Ziel der Unabhängigkeit der Region im Norden Sumatras festhalten. Sie sehen die Gespräche als Mittel, um einen formalen Waffenstillstand zu vereinbaren.

„Ein Waffenstillstand soll eine friedliche Umgebung für die Arbeit der Hilfsorganisationen schaffen“, sagte Gam-Sprecher Bakhtiar Abdullah der taz. Er gehört neben dem Geschäftsmann und Gam-Premierminister Malik Mahmud und dem Arzt und Außenminister Zaini Abdullah zur Rebellendelegation. Der 80-jährige Hasan di Tiro, Thronfolger von Acehs letzter Sultandynastie und Präsident der Exilregierung, nimmt aus Gesundheitsgründen nicht teil.

Die Gam hatte nach dem Tsunami einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Auch das Militär erklärte, von Offensiven absehen zu wollen. Seitdem machen sich beide Seiten für Vorfälle verantwortlich. Kürzlich erklärte ein General, Indonesiens Armee hätte in den letzten drei Wochen 210 Rebellen bei 57 Zwischenfällen getötet. Dazu sagte Gam-Sprecher Abdullah, unter den Toten seien nicht mehr als 15 Gam-Kämpfer. Das Militär wirft Gam vor, internationale Helfer zu gefährden. Gam bestreitet dies. Umgekehrt bietet die Katastrophe der Gam die Chance, den Konflikt zu internationalisieren. Nach dem letzten, im Mai 2003 gescheiterten, Waffenstillstand hatte das Militär Aceh bis zum Tsunami für Ausländer gesperrt. Um die Gespräche einzufädeln, griff die Regierung jetzt aber auch auf die Hilfe ausländischer Botschaften in Jakarta zurück.

Bakhtiar sagte, die Rebellen gingen ohne Vorbedingungen in die Gespräche und forderten dies auch von der Regierung. „In Verhandlungen muss man sich bewegen,“ sagte er. Auf die Frage, wie ernsthaft der Verhandlungswille der Regierung sei, sagte er: „Internationaler Druck hat zu den Gesprächen geführt, denn die Regierung muss jetzt guten Willen zeigen.“ Zuvor hatte ein Gam-Führer in Aceh der Regierung vorgeworfen, nicht ernsthaft verhandeln zu wollen. „Dieses Friedensangebot basiert nicht auf gutem Willen, sondern auf dem Tsunami“, sagte Sofyan Dawood gegenüber Reuters. Beobachter erwarten jetzt nicht mehr als einen Waffenstillstand. „Das Ziel ist, den Dialog wieder zu etablieren“, sagte Matti Kalliokoski von CMI. SVEN HANSEN

REINHARD WOLFF