Würgen nach Goethe

Manische Entblößungen: Angela Richter hat „Magic Afternoon“ auf Kampnagel inszeniert

von Marga Wolff

A bisserl Haschisch, ihr Hascherln? Oder einen Gin? Oder vielleicht doch lieber baden gehen? Fürs Kino reicht das Geld nicht. Es läuft eh nix Gescheites. Dann schon eher eine Runde schlafen oder gar versuchen, ein paar Zeilen zu schreiben.

Schriftsteller Charly hat Frau und Freunde um sich versammelt. Man vertreibt sich die Zeit, trinkt, raucht, zupft an sich und anderen herum: In Wolfgang Bauers Schauspiel Magic Afternoon, das jetzt auf Kampnagel Premiere hatte, geht es wenig zauberhaft zu. Die österreichische Umgangssprache, die der Grazer Autor vorgibt, kleidet gelangweilte Bohème-Attitude und Überdruss dabei doppelt gut.

Die Hamburger Regisseurin Angela Richter hat den Stoff jetzt neu bearbeitet. Und was die Umsetzung so aktuell und heutig macht, ist vor allem einer choreographischen Präzision der Schauspielerführung zu verdanken, im kongenialen Zusammenspiel mit der Bühnenausstattung von Jonathan Meese. Letzterer, als enfant terrible gefeierter Shootingstar der jungen deutschen Kunstszene, spannt hier Projektionsflächen auf, die Inneres nach außen kehren. Bis in den Zuschauerraum reichen die schwarzen Wände, überwuchert von obszönen Kritzeleien – pubertäre Phantasien, die das Geschehen wie eine undurchdringliche Haut umhüllen.

Das zivilisatorische Gedankengut dagegen stapelt sich in Altpapierhaufen am Bühnenrand. In einem Zelt aus Silberfolie agieren die Schauspieler im Zentrum derweil stumpfsinnig in ihr Spiegelbild hinein. Hilflos kontrollieren sie jede Pose, enthüllen treffend die Kehrseite unserer Entblößungsgesellschaft. Selbst erotische Annährungen bleiben im Selbstversuch stecken oder entgleisen im Übergriff. Autsch, da hat Charly der Moni (Eva Löbau) kurzerhand das Nasenbein gebrochen. Behauptet sie jedenfalls.

Hysterie und Ekel sind die letzten verbliebenen Gefühlsregungen in diesem Menschenlabor. Goethe, Walser, Ionesco – Autor Charly gedenkt seiner Kollegen mit lautem Würgereiz, was in österreichischer Mundart zur bizarr gestammelten Klangkreation verschmilzt. Ansonsten ist alle Unordnung aus der strahlenden Zelle verbannt. Draußen im Halbdunkel der Peripherie häuft sich dagegen der Müll, lassen die Protagonisten die Hosen runter, kotzt einer von ihnen dann und wann hingebungsvoll in den Heidegger-Trog.

Angela Richter hat für die enervierende Leere des Stücks Form, Rhythmus und stimmiges Timing gefunden. Sie amüsiert, anstatt die Langeweile der Bühnenfiguren auf die Zuschauer zu übertragen – und erreicht doch, dass einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Die zwei leisen Rülpser, die Löbau am Ende des Spektakels in die Dunkelheit entfahren, sind Kommentar genug.

nächste Vorstellungen: 30.1. sowie 2.–5.2., 20 Uhr, Kampnagel