Scheue Musik

Angstfrei durch die Moderne: Der scheidende GMD Ingo Metzmacher stellt sein Buch im Literaturhaus vor

„Ich bin ein Kämpfer“, pflegt Hamburgs scheidender GMD Ingo Metzmacher von sich zu sagen. Die Schwierigkeiten, die solch eine Haltung mit sich bringt, hat er im Kleinkrieg gegen ein hanseatisch-repräsentatives Kulturverständnis in den letzten acht Jahren auskosten können, die Ernte seiner Mühen scheint er jetzt einzufahren: Schönbergs Moses und Aron wurde ein Erfolg, die Alfred-Toepfer-Stiftung verlieh ihm den Max-Brauer-Preis, und derzeit tourt Metzmacher durch die Republik, um sein Buch Keine Angst vor neuen Tönen – Eine Reise in die Welt der Musik vorzustellen. Morgen liest er im Literaturhaus.

Dass der Erfinder des Neujahrskonzerts „Who is afraid of the 20th-Century“ sich für die Musik unserer Zeit einsetzt, ist bekannt; dass er sich aber des Mediums Buch bedient, erstaunt zumindest diejenigen, die Erfahrungen mit seinem – jeder prätentiösen Eloquenz bewusst abholden – sprachlichen Minimalismus gesammelt haben.

Den Eindruck, dass Metzmacher lieber Musik als Worte über Musik macht, bestätigt auch sein Buch. Die Sprache ist betont schlicht. Die Konzertführerfakten sind bekannt. Für Kenner und Genießer ist dieses Buch jedenfalls nicht. Wohl aber für solche, die es werden wollen: So, wie sein Neujahrskonzert einen unterhaltsamen Zugang zur Moderne eröffnet hat, bietet auch dieses Buch einen sehr persönlichen, anekdotischen Einstieg in die Welt des Klingenden.

Metzmachers Ausgangspunkt ist sein Vater, der habe noch „den Großherzog in der Kutsche gesehen“. Metzmacher dagegen zählt zu der Generation, mit der die Klänge einer neuen Zeit ihren Weg durch die Institutionen antreten. Was das Buch dabei so authentisch macht, sind seine Begegnungen mit Komponisten wie Nono oder Stockhausen, deren Musik hier auch für ,Uneingeweihte‘ eine menschliche Dimension erhält. Und zu einem sprachlichen Höhepunkt steigert er sich gar, wenn es um seine liebste Sache geht: „Jede Musik ist Bekenntnis (...). Sie steht zu sich, stellt sich, so wie sie ist. Sie hat keine Angst, verlacht zu werden. Fürchtet nicht, missverstanden zu sein. Sieht ihren Weg, folgt ihm ohne Rücksicht, ohne Scheu. Sie weiß um ihre Wahrheit (...).“ Amen. Ilja Stephan

Morgen, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38