Wachstumsstörungen bei der Windkraft

IG Metall wirft der Windbranche vor, die Mitarbeiter auszubeuten – und fordert nun tarifliche Regelungen

BERLIN taz ■ Die IG Metall geht mit der Windkraftbranche hart ins Gericht. „Das schnelle und starke Wachstum hat bei den Herstellern zu Defiziten in Organisation und Personalentwicklung geführt“, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Rhode gestern. Er warnte vor einem Szenario, wie es die IT-Branche vor Jahren mit dem Niedergang der New Economy erlebt hatte.

Gestützt sind seine Vorwürfe auf den „Branchenreport Windkraft 2004“. Ihn hat die IG Metall gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung verfasst. Mitarbeiter im Außenservice müssten zeitweise bis zu 80 Stunden pro Woche arbeiten – „tarifvertragliche Regelungen sind die Ausnahme“, heißt es in der Studie. Die langen Arbeitszeiten und fehlenden Gesundheitsschutzmaßnahmen wirkten sich negativ auf die Motivation der Arbeitnehmer aus. Die IG Metall fordert deshalb klarere Regelungen bei Arbeitszeit und Entlohnung.

Johannes Schiel, Windenergiereferent beim Industrieverband VDMA, will das den Unternehmen selbst überlassen und findet die bisherigen Arbeitsbedingungen in Ordnung. Ralf Bischof vom Bundesverband Energiewirtschaft (BWE) schreibt die Ursachen allerdings politischen und strukturellen Rahmenbedingungen zu: „Die Zuschüsse nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz werden immer zum Jahresanfang gesenkt.“ Deshalb würden die meisten Anlagen immer erst im letzten Quartal des Jahres aufgestellt. Und das führe dann zur Überbelastung. Zudem könnten die heutigen Anlagen, nur noch von Fachkräften aufgestellt werden – von denen es in kleinen Betrieben allerdings nur wenige gebe.

Ausbildung und Qualifizierung der Beschäftigten: auch das ein weiterer Kritikpunkt der IG Metall. Seit 1990 hat sich die Zahl der Beschäftigten verfünfzigfacht – auf heute 45.000. Das Konzept des learning by doing war zentral und bot Chancen auch für Quereinsteiger. Heute führe es jedoch zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften.

Parallelen zeigt die Studie auch zur Entwicklung der New Economy. VDMA-Mann Schiel hält das zwar für eine „interessante Drohkulisse der Gewerkschafter“, rechnet jedoch mit einem „zweiten Branchenschub“ zum Ende des Jahrzehnts. „Bis dahin wird sich die Branche bei rund 50.000 Beschäftigten einpendeln“, sagte der Energieexperte der taz. Die Daten zur Marktentwicklung zeigen allerdings, dass der Inlandsmarkt bis zum Jahr 2010 keine großen Potenziale hat. „Die größten Chancen liegen im Export“, sagte Johannes Schiel.

Mit einer Gesamtleistung von 15.688 Megawatt nimmt Deutschland weltweit den ersten Platz in der Windenergiebranche ein. Diese gute Ausgangssituation, so Bischoff, „darf jetzt nicht durch politische Grabenkämpfe aufs Spiel gesetzt werden.“

JOCHEN SETZER