Europa straft Regierungen ab

ERGEBNISSE In Irland, Lettland, England, Zypern und Österreich verlieren die Regierungen. In Malta gewinnt die Arbeiterpartei

BERLIN taz | Bei den Europawahlen haben die Bürgerinnen und Bürger die Regierungsparteien der 27 EU-Staaten abgestraft. In Irland, England, Lettland, Österreich und Zypern mussten die Regierungen ersten Prognosen zufolge mit deutlichen Stimmverlusten rechnen.

In Malta erklärte sich die oppositionelle sozialistische Arbeiterpartei bereits zu Beginn der Stimmauszählung am frühen Sonntagabend zum Wahlsieger. Laut Schätzungen habe die Partei 57 Prozent errungen, die regierende Nationalistische Partei bekam demnach 40 Prozent. In den Niederlanden war die rechtspopulistische „Partei der Freiheit“ zweitstärkste Kraft geworden. In Irland büßte die konservative Partei „Fianna Fáil“ von Ministerpräsident Brian Cowen ihre Mehrheit ein, in Lettland traf es die Regierungspartei „Neue Zeit“ von Regierungschef Valdis Dombrovskis. Die Labour-Party von Großbritanniens Premier Gordon Brown wird laut Prognosen ähnlich wie bei den Kommunalwahlen auch die Europawahl gegen die Conservative Party von Oppositionsführer David Cameron verlieren. In Österreich hat die konservative ÖVP Hochrechnungen zufolge die sozialdemokratische SPÖ klar überrundet. Mit einer Prognose von 26,5 Prozent gelang der oppositionellen bürgerliche GERB-Partei in Bulgarien die Europawahl.

Entgegen den Regularien der EU hatten die Niederlande schon in der Nacht zum Freitag erste Teilergebnisse veröffentlicht. „Die Wähler haben das Recht, schnell die Ergebnisse zu erfahren“, sagte das Innenministerium in Den Haag. Demnach bekam die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders mehr als 16 Prozent der Stimmen. Die regierenden Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende erreichten knapp 20 Prozent.

In Irland kündigte Enda Kenny am Wochenende an, schon am Dienstag ein Misstrauensvotum im Parlament voranzubringen. „Fine Gael“ kam auf rund 30 Prozent und wurde damit erstmals seit Jahrzehnten stärkste Kraft in Irland. Die konservative Regierungspartei Fianna Fáil geriet im Zuge der Finanzkrise, von der Irland an den Rand des Staatsbankrottes getrieben wurde, unter Druck und erreichte nur rund 23 Prozent. Regierungschef Cowen erklärte, die volle Amtszeit bis 2012 regieren zu wollen. Die Labour-Partei erzielte 16 Prozent der Stimmen. Die europafeindliche Partei Libertas kam nach den Prognosen auf 4 Prozent. In Österreich holte die oppositionelle ÖVP laut Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale rund 29,6 Prozent der Stimmen, während die Sozialdemokraten nur auf 23,7 Prozent kamen – rund 9,6 Prozent weniger als 2004. Überraschend gut schnitt die Liste von Euroskeptiker Hans-Peter Martin mit 18 Prozent der Stimmen ab. Die FPÖ liege bei 13,4 Prozent, das von ihr im Jahr 2005 abgespaltene BZÖ käme demnach auf 4,7 Prozent der Stimmen.

Wahlsieger in Lettland dürfte die erst im vergangenen Jahr gegründete Zivilunion geworden sein. Die Bewegung der ehemaligen EU-Kommissarin Sandra Kalneite erhielt den Umfragen zufolge bis zu 24 Prozent der Stimmen. Die Partei „Neue Zeit“ von Regierungschef Valdis Dombrovskis erhielt bis zu 11 Prozent. Einen überraschenden Erfolg feierten die Parteien der russischstämmigen Minderheit: Das Parteienbündnis „Harmoniezentrum“ sei auf etwa 20 Prozent der Stimmen gekommen, und die Bewegung für Menschenrechte in einem geeinten Lettland kam auf 13 Prozent, hieß es in den nach Schließung der Wahllokale am Samstagabend veröffentlichten Prognosen. In Zypern lag die konservative Partei Demokratische Versammlung (Disy) laut Wählerbefragungen vor der linksgerichteten Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (Akel) von Präsident Dimitris Christofias. Ziel der Regierungspartei Akel ist eine Wiedervereinigung der geteilten Mittelmeerinsel. Mit der Wahl des 7. Europaparlaments entschieden 375 Millionen Bürger über die Vergabe von 736 Parlamentssitzen. TOK