Die Kleinen am größten

OPPOSITION Die FDP schafft in der Krise fast 11 Prozent. Die Linke gewinnt, Grüne stabil

„Es wird eine europäische grüne Fraktion geben, die stärker ist als je zuvor“, sagte Reinhard Bütikofer

AUS BERLIN NICOLE JANZ, HANNA GERSMANN
UND DANIEL SCHULZ

Klarer Gewinner der Europawahl – zumindest unter den kleinen Parteien – war am Sonntag die FDP. Die Liberalen konnten nach Prognosen für die ARD 10,9 Prozent der Wählerstimmen gewinnen. Die Grünen blieben mit 12 Prozent stabil, und die Linken legten leicht zu und kamen auf 7,7 Prozent.

FDP-Chef Guido Westerwelle zeigte sich strahlend und hocherfreut über das beste Europawahl-Ergebnis in der Geschichte der Liberalen. „Keine Partei hat so zugelegt wie wir“, sagte er am Sonntagabend in Berlin. „Freude, schöner Götterfunken“, jubelte er. Neben ihm lächelte die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Silvana Koch-Mehrin – ganz so wie auf den Wahlplakaten mit dem Spruch „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Bei der letzten Europawahl 2004 hatte die FDP noch 6,1 Prozent erreicht – die jetzigen 10,9 Prozent sind ein deutlicher Zuwachs.

Westerwelles Amtsvorgänger Wolfgang Gerhardt wertete das Resultat als gutes Zeichen für die Bundestagswahl. Es bedeute, dass die Aussichten für ein Regierungsbündnis von Union und FDP gut ständen, sagte er in der ARD. „Wir sind auf einem guten Weg.“

Auch die Grünen zeigten offene Freude: Sie blieben stabil. Nach ersten Prognosen erhielten sie 12 Prozent, 2004 hatten sie 11,9 Prozent erzielt. Sie hatten damit geworben, dass man in dieser wirtschaftlich schlechten Zeit einen Green New Deal braucht – und Armut, Klimawandel und Rezession zugleich bekämpfen kann.

Darum plakatierten die Grünen die Republik mit dem Slogan: „Mit Wums! für ein besseres Europa“. Auch wenn sie für den Kunstbegriff „Wirtschaft, Umwelt, menschlich und sozial“ viel belächelt wurden – bei der Stammklientel kam die Botschaft offenbar an. Mit Wums kamen die Grünen auf ein „saustarkes Ergebnis“, sagte die Wahlkampfleiterin Steffi Lemke bei der Wahlparty der Grünen in Berlin.

Bisher waren die deutschen Grünen mit 13 Abgeordneten im Europaparlament vertreten, dabei wird es in etwa bleiben. Rebecca Harms ist eine von ihnen. Die Spitzenkandidatin und Anti-Atom-Aktivistin sagte am Sonntag: „In der Krise zählt nicht die Konkurrenz der Nationalstaaten, sondern das Zusammen.“ Die Grünen seien die einzige Partei, die wirklich eine europäische sei.

Auch Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer geht nun nach Straßburg und Brüssel. Er ist überzeugt: „Es wird eine europäische grüne Fraktion geben, die stärker ist als je zuvor.“

Traditionell können die Grünen ihre Klientel für die Europawahlen motivieren. Diesmal kam allerdings erstmals eine grüne Wahlempfehlung der Financial Times Deutschland hinzu. Den Grünen wird in diesen schlechten Zeiten von neuer Seite etwas zugetraut.

Sogar bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, die auch am Sonntag stattfanden, können sie voraussichtlich in Stuttgart mit 27 Prozent stärkste Fraktion werden. Für die Bundestagswahl wollen die Grünen nun Platz drei, hinter den Konservativen und den Sozialdemokraten, sagte Bütikofer. Ob sie bei ihrem Slogan „Wums“ bleiben, wissen sie aber noch nicht.

Die Linken haben bei der Europawahl zwar ihr Wahlziel nicht erreicht: 10 Prozent plus x. Sie kamen am Sonntag Prognosen zufolge auf 7,7 Prozent. 2004 hatte die PDS 6,1 Prozent erhalten. Lothar Bisky, Parteichef und Spitzenkandidat für die Europawahl, versuchte, das Ergebnis in einen Sieg umzureden. „Wir haben als Linke zugelegt, das ist nicht selbstverständlich“, sagte Bisky und erhielt in der Berliner Kulturbrauerei artigen Applaus von seinen Mitstreitern.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte, einer der Wortführer der Pragmatiker in der Partei, sagte auf der Party: „Natürlich haben uns die Austritte von Parteimitgliedern nach internen Streiten Stimmen gekostet.“ Wichtig werde deshalb der kommende Parteitag. „Dort müssen wir zeigen, dass wir eine Partei sind, die sich um die Alltagssorgen der Menschen kümmert und nicht um unsere ideologische Reinheit.“

Im Wahlkampf hatte sich die profilierte Linken-Europapolitikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann in Richtung SPD verabschiedet, und André Brie, ebenfalls Europapolitiker und einer der schärfsten Kritiker von Oskar Lafontaine, ging kurz vorm Wahlgang den Saarländer in einem Spiegel-Essay scharf an.

Dahinter steht ein Streit zwischen Ostrealos und den zumeist von Lafontaine unterstützten linken Fundamentalisten. Kaufmann und Brie gehören der ersten Fraktion an und erhielten deswegen kein Europa-Ticket von der Partei.

Im ARD-Fernsehen räumte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi Mobilisierungsdefizite seiner Partei bei der Europawahl ein. „Es ist uns nicht ganz gelungen, zu mobilisieren, wie wir es wollten“, sagte er. Bei der Bundestagswahl solle das anders werden. Das Ziel bleibe weiterhin 10 plus x, sagte Gysi.