Besser als Verschrotten

PC-OPI Horst Matzen aus Hamburg-Rahlstedt kennt das Leben mit Hartz IV nur zu gut. Seit er und seine Frau selbst arbeitslos sind, repariert er alte Computer und verschenkt sie an die, die sie dringend brauchen – aber für jeden nur ein Gerät

VON TINA STADLMAYER

Sieben Computer stehen im Hausflur, acht weitere drinnen, in der engen Wohnung von Horst Matzen und seiner Frau Angelika. Die einen hat er schon repariert, die anderen warten noch darauf. Am nächsten Tag, erzählt der 57-Jährige, kämen die Leute und holten sich die Reparierten ab. Seit einem guten halben Jahr sammelt Matzen, der sich „PC-Opi“ nennt, im Hamburger Stadtteil Rahlstedt alte Hardware ein, von Privatleuten, Institutionen und Firmen, möbelt sie auf und verteilt sie dann an Bedürftige. Kostenlos.

Auch wenn jemand Probleme hat zum Beispiel mit dem Installieren des Betriebssystems, hilft Horst Matzen bereitwillig – das allerdings nur gegen Bezahlung. Auch bei anderen Computer-Problemen kann der „PC-Opi“ gerufen werden, oder wenn eine Internetseite gestaltet werden soll. Geld verdient er damit kaum.

Zum Computerexperten hat sich der gelernte Sanitärinstallateur selbst ausgebildet. „Er kriegt jede Kiste wieder zum Laufen“, sagt Angelika nicht ohne Stolz. „Na ja“, schränkt Matzen ein, „nicht alle.“ Die hoffnungslosen Fälle schlachtet er aus und bringt sie zum Recyclinghof.

Horst Matzen ist ein gefragter Mann. Dauernd klingelt das Telefon. „Wenn sie eine gültige Hartz-IV-Bewilligungsbescheinigung haben“, erklärt Matzen dann dem Anrufer, „können sie sich einen PC abholen.“ Manchmal, klagt seine Frau, „wird es uns echt zu viel: Nicht einmal am Wochenende ist Ruhe.“ Bei seinen Aktivitäten unterstützt sie ihn trotzdem: „Er ist für die Technik zuständig, ich für die Organisation.“ Während er in seinem kleinen Büro zwischen Ersatzteilen, Druckern und Laufwerken werkelt, koordiniert seine resolute Frau die Termine. Sie führt Buch, sorgt dafür, dass jede Familie nur ein Gerät bekommt.

Wenn sich genügend funktionierende PCs angesammelt haben, veranstalten die Matzens einen „Abholtag“: Säuberlich sind die Sets dann auf dem Boden einer Lagerhalle aufgereiht. So ein Set, das sind meistens ein PC, ein Drucker und ein Monitor. Wer welches Set bekommt, darüber müssen die Interessierten sich selbst einigen. „Meistens klappt das ohne Streit“, berichtet Angelika Matzen. Die meisten Abholer seien sehr dankbar: „Manche haben vor Freude Tränen in den Augen.“ Klar, es gebe auch „Rüpel, die nicht genug kriegen können“. Die Spielregeln aber sind klar: Für jeden nur ein Set.

Dankbar sind den Matzens auch die Spender all der Geräte: Wer beruflich am Computer arbeitet, braucht häufig schon nach vier, fünf Jahren einen neuen. Verschrotten lassen allerdings möchte einen funktionierenden oder nur leicht lädierten Rechner kaum jemand – und sei es nur, weil das Geld kosten kann. Und so spricht es sich nicht nur im Stadtteil allmählich herum: Da gibt es doch „PC-Opi“, der verteilt die Geräte an diejenigen, die sie dringend brauchen.

Die Matzens kennen das Leben mit Hartz IV nur zu genau. Sie wissen, wie es sich anfühlt, für die wichtigsten Dinge kein Geld zu haben. „Arbeitslose müssen Jobs im Internet suchen, Bewerbungen schreiben und ausdrucken können“, sagen sie. Auch die Kinder der Bedürftigen brauchten Zugang zum Computer, zum Beispiel um Referate auszuarbeiten. Manchmal verschenkt Horst Matzen zusammen mit einem Computer ein Lernprogramm oder ein Spiel. „Aber nichts mit Gewalt“, sagt er, „das lehnen wir ab.“

Als Computer-Freak bezeichnet er sich schon seit den 80er-Jahren. „Es gibt fast nichts, was ein PC nicht kann“, sagt er mit so einem Schwärmen in der Stimme. „Das hat mich immer schon fasziniert.“ Als sein erster Computer kaputt ging, griff Matzen zum Schraubenzieher: „Ich habe ihn auseinander geschraubt und tatsächlich den Fehler gefunden.“ Seitdem hat er viele hundert Geräte repariert.

Seine Frau hat Horst Matzen – wo auch sonst? – im Internet kennengelernt. Sie wohnte in Eutin, er in Berlin, gemeinsam haben sie in Lütjenburg im Kreis Plön einen Tee-Laden eröffnet. Nebenbei fuhr er Taxi und bot sich als Computerexperte an. In Lütjenburg, das inzwischen durch „Dorfpunks“ berühmt geworden ist, fingen die beiden auch damit an, alte Computer einzusammeln und weiter zu geben. Dann ließen sie sich von Angeboten auf Festanstellungen nach Hamburg locken: Horst arbeitete als Hauswart, Angelika bei derselben Firma als Bauzeichnerin. Ende vergangenen Jahres dann wurde beiden gekündigt.

Da nahmen sie die Aktion „Computer für Bedürftige“ wieder auf: „Bevor wir krank und gammelig werden, machen wir lieber etwas Sinnvolles“, sagt Angelika Matzen. „Wir helfen den Leuten, denen es genauso geht wie uns“, fügt ihr Mann hinzu. Natürlich hofft er, dass eine der Institutionen, mit denen er zusammenarbeitet, ihm irgendwann einmal einen Job anbietet: „Ich könnte zum Beispiel in einer Firma oder an einer Schule PCs einrichten und Computer-Workshops anbieten.“ Das Zeug dazu hätte er, der „PC-Opi“.