Ausschuss baut auf Ehrlichkeit

Von 18 Abgeordneten im Bauausschuss gehen 11 auch einem außerparlamentarischen Job nach, unter anderem als Anwalt und selbstständiger Bauingenieur. Dass jemand sich wegen Befangenheit enthält, kommt trotzdem nicht vor

Da sitzen sie, die Experten fürs Bauen, Wohnen und Verkehren. Ganz vorn der Anwalt und links der Gastronom, ein selbstständiger Bauingenieur, gegenüber noch einer, daneben der Einzelhandels-Lobbyist und einige Plätze weiter ein Unternehmensberater. Der Rechtsanwalt krächzt heiser ins Mikrofon, dass die Ausschusssitzung beginnt – und spätestens dann sind alle im Saal nichts als Parlamentarier.

So ist das in einem Teilzeitparlament: Hier gibt es keine Nebentätigkeiten, sondern Hauptberufe. Von 18 Mitgliedern im Ausschuss gehen 11 einem außerparlamentarischen Job nach. Es könne ja nicht schaden, so die Grundidee, wenn auch Rechtsanwälte und Bauingenieure über Verkehrspläne, Bauvorschriften, Bebauungspläne und Wohnungspolitik beraten und entscheiden – sofern es dabei keine Verquickung mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen gibt.

Offenbar treten die weit seltener auf, als man bei einem Teilzeitparlament versucht ist zu vermuten. Claudia Hämmerling jedenfalls, die für die Grünen im Bauausschuss sitzt und keiner Nebentätigkeit nachgeht, kann sich an keinen Fall erinnern, in dem jemand „wegen Befangenheit mal nicht die Hand gehoben hat“. Hämmerling sitzt seit über neun Jahren im Parlament. Für sie ist das ein Vollzeitjob.

Ralf Hillenberg (SPD) arbeitet dagegen nach eigenen Angaben 30 Stunden die Woche als Abgeordneter und weitere 40 als Chef der Architekten- und Ingenieurbüros IPBB GmbH und Ascia GmbH. So steht es auch im Handbuch der Abgeordneten. Nur was er da für wen so plant, ist darin nicht vermerkt – und nicht verlangt. Interessant wäre es schon. Hillenberg und seine 15 Mitarbeiter planen zum Beispiel Sanierungsarbeiten für landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wie die Howoge. „In dem Augenblick, wo Fördergelder des Landes verbaut werden sollen, halte ich mich aber zurück und nehme den Auftrag gar nicht an“, sagt er. Er verhalte sich da absolut transparent. In möglichen Grenzfällen konsultiere er vorher die Fraktionsspitze. Kurzum: „Interessenkonflikte vermeide ich vornherein.“

Ähnlich hält es auch der selbstständige Verkehrsbauingenieur Fritz Niedergesäss, der als CDU-Abgeordneter im Teilzeitparlament vertreten ist. Wenn er Arbeit habe, dann nur außerhalb Berlins – vor allem im Raum Dresden oder Erfurt, lässt er ausrichten. Ohnehin sei er die meiste Zeit seiner 80-Stunden-Woche als Abgeordneter tätig.

Der FDP-Abgeordnete Klaus-Peter von Lüdeke ist laut Handbuch der Parlamentarier als selbstständiger Marketingberater tätig. Nur was ist das? Wer wird in welchen Fragen beraten? Und gibt es Berührungspunkte mit der Ausschussarbeit? Fragen, die das Handbuch nicht beantwortet, die für die Beurteilung der Unabhängigkeit aber nicht uninteressant sind – theoretisch. Praktisch ergeht es von Lüdeke ähnlich wie den Grünen. Je kleiner die Fraktion, desto mehr Arbeit lastet auf dem einzelnen Abgeordneten. Darum habe er im Vorjahr auch keine Nebeneinkünfte erzielt: „weil ich gar nicht zum Beraten gekommen bin“.

Der heisere Ausschussvorsitzende Manuel Heide (CDU) kommt immerhin noch auf 25 unpolitische Arbeitsstunden pro Woche, die er in der Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH verbringt. Auf der Internetseite der Kanzlei heißt es, er sei im Bereich „real estate“ – zu Deutsch: Grundstücks- und Immobiliengeschäft – tätig. Doch auch hier gibt es keinen Interessenkonflikt – sonst hätte Heide das ja angemeldet. Alles andere wäre böse Unterstellung. Laut den „Verhaltensregeln für Abgeordnete“ muss Heide mehr auch gar nicht offenbaren. Als Anwalt und Notar verbietet es sogar das Standesrecht: Mandantenschutz beißt Transparenz.

JAN ROSENKRANZ