Direktor Blaums Flügel

NS-ALTLASTEN In Bremer Museen und Privathäusern ist nach wie vor „verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut“ zu finden. Die Grünen trommeln für einen „Bremen Fonds“

„Judenauktionen“: Das Finanzamt listet penibel auf, welcher Direktor was ersteigerte

Von Henning Bleyl

Wenn heute auf Einladung der Staats- und Universitätsbibliothek über „NS-Raubgut in Bremischen Kultureinrichtungen“ diskutiert wird, ergibt sich eine etwas bizarre Situation: Der auf dem Podium platzierte Direktor der Kunstsammlungen Böttcherstraße kann vermutlich immer noch nicht den Vollzug des Alabaster-Relief-Rückkaufs von den Erben des jüdischen Industriellen Ottmar Strauss verkünden. Dabei hatte Rainer Stamms konsequentes Bemühen um deren Auffinden und Restitution erst die Aufmerksamkeit auf entsprechende Altlasten in anderen Bremer Häusern gelenkt.

Zumindest gestern sprach Stamm gegenüber der taz von einem noch nicht endgültig abgeschlossenen Vorgang. Das Kulturressort hatte versichert, bis Ende März könne die Summe, zusammengesetzt aus je 15.000 Euro des Kultur- und Finanzressorts sowie 25.000 Euro aus Privatmitteln, überwiesen werden.

Immerhin wird auf dem Podium von den erfolgreichen Bemühungen der Bibliothek berichtet werden, die bislang fast 300 Bücher an Alteigentümer oder deren Erben zurückgegeben hat. Die Kunsthalle will demnächst das „Mädchen mit dem weißen Halstuch“ von Wilhelm Leibl von den rechtmäßigen Erben erwerben, muss sich aber immer noch mit Forderungen der George Grosz-Erben, unter anderem nach „Pompe funèbre“, auseinandersetzen.

Weitgehend unerforscht ist nach wie vor der Bereich von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Privatbesitz. Zwar gab es in Bremen kein ausgeprägtes wohlhabendes jüdisches Bürgertum mit entsprechenden Kunstsammlungen, doch auch der Profanbesitz der Deportierten war bei den so genannten Judenauktionen beliebt. Vermerke des Finanzamtes aus den Jahren 1941 und 1942 listen penibel auf, wer was in seinen Besitz brachte. So ließ sich die Chef-Etage der Atlas-Werke über einen Angestellten unter vielem anderem Folgendes ersteigern: „Dr. Daseking (Küchengeschirr) 110.- RM, Direktor Harmsen (1 Brücke) 300 .- RM, Direktor Blaum (1 Flügel) 2.000 RM.“ Auch der Name „Dr. Noltenius“ taucht in den Erwerbslisten wiederholt auf, die somit ein gutes Spiegelbild der traditionell das Bremer Kunstleben tragenden bürgerlichen Schichten darstellen.

Die Grünen haben mittlerweile einen Bürgerschaftsantrag vorbereitet, um „Rahmenbedingungen für nicht nur Einzelfall-orientierte Lösungen“ zu schaffen, also die Einrichtung eines „Bremen Fonds“ zum Rückkauf und Erforschung entsprechender Altlasten zumindest in den Museen voran zu bringen. Dem Vernehmen nach sollen als Grundstock die 5.000 Euro dienen, die von den 55.000 Euro zurückbehalten werden konnten, die ursprünglich für den Rückkauf der beiden Alabaster-Reliefs und eines mittelalterlichen Fensters in Rede standen.

Zugleich wollen die Grünen den Senat um einen „Aufruf an die Bremer Bevölkerung“ bitten um Einzelspenden zu akquirieren. Möglicherweise ist das eine Erfolg versprechenden Vorgehensweise: Schließlich wurden auch die Mehrkosten für den Umbau der Kunsthalle in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, die durch den Streit um die nicht rechtzeitig erfolgte Auflösung des Café-Pachtvertrages entstanden, mit bemerkenswerter Kulanz von einem Schwachhauser Mäzen übernommen.

Podiumsdiskussion: 18.30 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße. An der Staats- und Universitätsbibliothek ist bis zum 31. Juli eine Ausstellung über das Projekt „Eigentümer gesucht!“ zu sehen