Neue Tische zum Tag der Liebe

Elterninitiative verkauft zum Valentinstag Blumen, um Tische für die Schulen ihrer Kinder zu kaufen. Denn die lernen unter miserablen Bedingungen: Das Geld für Mobiliar oder Renovierung ist knapp

VON JULIANE GRINGER

Astrid Lohss ist das Backen vergangen. Sie hat vier Kinder, 7 bis 18 Jahre alt, alle gehen zur Schule. Die Mutter hat schon so viele Kuchenbasare bestritten, um die Klassenkassen aufzufüllen, dass ihr das Zubereiten des Teigwerks inzwischen keinen Spaß mehr macht. Sie hat auch schon eine stattliche Anzahl von Klassenzimmern und Schultoiletten gestrichen. „Das gehört für Eltern in Deutschland doch inzwischen zum Alltag“, meint Lohss. Dennoch fehlt es in den Klassenzimmern ihrer Kinder sogar an intakten Tischen. Astrid Lohss setzt deshalb nun auf Blumen. „Tulpen für Tische“ sollen am Wochenende vor dem Valentinstag verkauft werden.

8.000 Tulpen hat der Blumengroßmarkt dafür gesponsert, am 14. Februar und dem Wochenende davor sollen Schüler und Eltern sie an gut frequentierten Orten verkaufen: auf Wochenmärkten, größeren Plätzen und vor Bahnhöfen. Genauso gut könnten auch Schokolade oder Valentinstageskarten verkauft werden. Und das eingenommene Geld muss nicht nur für Tische ausgegeben werden. „Jede Schule hat ja andere Probleme“, weiß Astrid Lohss. Bisher haben sich sechs Schulen bei der Aktion angemeldet, weitere sind willkommen. Die Architektin Lohss engagiert sich auch im Projekt „Architektur macht Schule“. Dabei sollen Kinder erfahren, welchen Einfluss gebaute Umwelt auf ihr Leben hat. „Die meisten Schulen kämpfen mit beachtlichen Mängeln“, sagt die 44-Jährige und zählt eine lange Liste mit Beispielen auf: veraltete Unterrichtsmaterialien, kaputte Tische und Stühle auf Sperrmüllniveau, Raumnot, Reparaturstau, Sanierungsbedarf. „In einer Grundschule waren die Toiletten so kaputt, dass die Kinder sie schlicht nicht benutzen konnten.“

André Schindler, Vorsitzender des Landeselternausschusses, ergänzt die Liste um oftmals mangelhafte Reinigung der Schulen sowie eine hohe Belastung der Klassenräume mit Staubpartikeln und Schadstoffen, weil zu wenig gelüftet würde. Er glaubt, dass Eltern inzwischen fast verpflichtet seien, die Schulkassen aufzubessern: „Wenn meine Tochter jeden Tag in einem unzumutbaren Klassenzimmer sitzen muss, dann tue ich doch lieber etwas, als nur abzuwarten.“ Er kennt ein Modell, bei dem an einer Ganztagsgrundschule die Gesamtelternvertretung einen Fonds eingerichtet hat. Die Eltern zahlen jährlich pro Kind drei Euro ein. „Mit den Einnahmen von Schulfesten kommt da einiges zusammen“, sagt Schindler.

Mit dem neuen Schulgesetz werden auf die Berliner Schulen noch mehr Belastungen zukommen. Weil beispielsweise das Einschulungsalter um ein halbes Jahr herabgesetzt wird, sollen im kommenden Schuljahr 13.000 zusätzliche Erstklässler eingeschult werden. „Die finanzielle und personelle Ausstattung der Schulen reicht nicht, um das neue Schulgesetz durchzusetzen“, meint Astrid Lohss. Zwar liege die Verantwortung bei den Trägern. „Aber wenn die öffentlichen Mittel auch für den substanziellen Teil nicht ausreichen, sind wir als Eltern doch gezwungen, selbst aktiv zu werden.“

Die Bezirke jedenfalls wurden es nicht. Im vergangenen Jahr haben sie offenbar 14,5 Millionen Euro nicht ausgegeben, die der Senat für Schulsanierung zur Verfügung gestellt hätte. Insgesamt waren 47,5 Millionen bewilligt worden, ausgeschöpft wurden nur 33 Millionen Euro – weil der Haushalt erst im April 2004 in Kraft getreten sei, heißt es aus den zuständigen Bezirken. Schulsenator Klaus Böger (SPD) versicherte, die Gelder würden nicht verfallen, sondern wären in diesem Jahr noch verfügbar.