Ihr schönster Sieg

In den letzten Jahren hat Janica Kostelic den Slalom dominiert. Nun ist sie Abfahrts-Weltmeisterin

BORMIO taz ■ Janica Kostelic wirft so leicht nichts aus der Bahn. Und schon gar nicht eine leichte Verkühlung, wie sie derzeit bei der alpinen Ski-WM in Bormio grassiert; eine Schniefnase hält die Kroatin doch nicht vom Skifahren ab. Und auch nicht davon, schnell den Berg hinunterzurasen, schneller als die Favoritinnen in der Abfahrt, schneller als alle anderen. Die Doppel-Weltmeisterin von Bormio hat früh gelernt, sich zu überwinden, zu schinden. Vater Ante kannte kein Pardon, als er sich einst in den Kopf setzte, aus seinen Kindern Janica und Ivica Olympiasieger zu machen. Als die Tochter 16 war, schickte er sie in den Weltcup. Zu früh, fanden viele, weil der ehrgeizige Trainervater die junge Janica auch noch in allen Disziplinen starten ließ.

Sie hat einen hohen Preis dafür bezahlt. Als 18-Jährige stürzte sie beim Abfahrtstraining in St. Moritz schwer, zerfetzte sich dabei das rechte Knie derart, dass die behandelnden Ärzte zugaben, so etwas noch nie gesehen zu haben. Die Karriere der talentierten Kroatin schien damit beendet, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Aber wie gesagt: Kostelic wirft nichts so leicht aus der Bahn. Sie ist zurückgekehrt, mit ein paar Kilo Muskelmasse mehr – und großem Respekt vor der schnellsten Disziplin. „Ich habe mich nicht so wohl und sicher bei der Abfahrt gefühlt“, erinnert sie sich. Im Slalom dagegen wurde sie immer besser, gewann den Disziplin-Weltcup und den Gesamtweltcup. Ein Jahr später holte sie in Salt Lake City drei olympische Goldmedaillen – im Slalom, Riesenslalom und in der Kombination, dazu gewann sie noch Silber im Super-G. Abfahrten hat sie damals fast nur noch im Hinblick auf die Kombination bestritten.

Das rechte Knie ist anfällig geblieben, das linke anfällig geworden. Insgesamt wurde sie sechsmal operiert in den vergangenen fünf Jahren, weshalb sie immer wieder pausieren musste, zuletzt die gesamte vergangene Saison. Da hatte sie zudem auch noch Probleme mit der Schilddrüse, die ihr schließlich entfernt wurde. Was denn überhaupt noch intakt sei, wurde sie gefragt. „Mein rechter Arm“, antwortete Janica Kostelic, „und mein Haar.“ Und doch kehrte sie vor diesem Winter stärker zurück denn je – und das in jeder Beziehung: Wieder hatte sie ein wenig Gewicht zugelegt. Und plötzlich fuhr sie wieder alle Abfahrten mit. Ihre schlechteste Platzierung war ein 13. Rang zu Saisonbeginn, ihre beste der zweite in Cortina d’Ampezzo Mitte Januar. Das Geheimnis ihres Erfolges beschrieb sie damals so: „Ich habe geschaut, dass mein Hintern dicker wird.“

So war es kein Zufall, dass Janica Kostelic nach WM-Gold in der Kombination nun auch noch Gold in der Abfahrt gewann. Denn die Familie Kostelic überlässt nichts dem Zufall. Sie hatte extra den Super-G zu Beginn der WM ausgelassen, sich geschont für die restlichen Rennen und das Knie lieber noch einmal mit einer Spritzkur aus Fischöl behandeln lassen. Schon nachdem Kostelic die Kombinationsabfahrt am Freitag dominiert hatte, fragte ihr Vater Ante: „Warum soll sie am Sonntag nicht auch gewinnen?“ Die Königsdisziplin des alpinen Skisports ist vielleicht ihre letzte große Herausforderung. „Die Abfahrt ist etwas Besonderes, vor allem die Geschwindigkeit.“ Den Slalom, die Disziplin, die sie in den vergangenen Jahren oft dominiert hat, „mag ich eigentlich nicht besonders, aber dummerweise bin ich gerade da besonders gut“, hat sie einmal gesagt.

Der Sieg am Sonntag auf der Piste „Deborah Compagnoni“ in Santa Caterina war aber wohl vor allem eine Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Turin im kommenden Jahr. 2003 in St. Moritz hatte die zweifache Weltmeisterin verkündet, dass ihr diese Titel gar nicht so viel bedeuten, dass Olympia- und Weltcupsiege Priorität hätten. Dafür war sie damals heftig kritisiert worden. An dieser Rangliste habe sich zwar nichts geändert, gibt sie zu, aber diese Medaille habe eine andere, größere Bedeutung, als die anderen drei. „Es ist vielleicht mein schönster Sieg“, sagt Janica Kostelic.

ELISABETH SCHLAMMERL