Voll Bock auf Berlin
: Reiseführer gegen die Angst

Auf manche junge Menschen, die gerne mal nach Berlin fahren wollen, mag die Stadt beängstigend wirken. Denn im Rest von Deutschland raunt man sich einiges darüber zu, was dort „so gehe“. Hippe Mitte-Kids, die Lkw-Fahrer-Kappen tragen und diese Pilotenbrillen und die angeblich alle „irgendwas mit Medien“ machen, laufen in der Hauptstadt ja frei auf der Straße rum – sagt man. Solche Geschichten machen den unsicheren jungen Touristen Angst. Schließlich wollen sie mithalten, sich in der Metropole nicht blamieren.

Die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) macht Mut, eine Reise nach Berlin zu wagen, und klärt auf über die Fallstricke der coolsten Stadt überhaupt – mit ihrer kleinen Broschüre „Bock auf Berlin“. Das handliche Heftchen richtet sich an „junge Menschen bis 35 Jahre“, und es zeigt auf fast 70 Seiten coole Berlin-Jungs mit halblangen Haaren und Berlin-Mädchen mit kurzen Röcken, die keinen Bock auf Helm, aber Bock auf Mit-der-Vespa-an-der-East-Side-Gallery-Entlangbrettern haben oder voll Bock auf Enthemmt-Abtanzen-in-total-angesagten-Clubs.

Ganz nah an der Zielgruppe fühlen sich die Autoren des Werkes, indem sie genau jene Sprache verwenden, deren Gebrauch sie jungen Berlinsehnsüchtigen in der deutschen Provinz unterstellen. Denen wird knallhart „Bock auf Shopping“ nachgesagt und lässiges „Bock auf Relaxing“, aber auch semikulturelles „Bock auf Museum“, „Bock auf Sightseeing“ und vor allem: unheimlich „Bock auf Info“.

Das Heft erklärt auch die Trends, die dem Nicht-Berliner völlig fremd sein werden, weil die Stadt eben immer so progressiv ist. „Alles ist möglich“, steht zum Beispiel im Kapitel „Bock auf Nightlife“: „Einer der In-Trends der Szene heißt Lounging. Da steht in der Bar ein Bett oder eine Liege, worin du dich gemütlich einkuscheln kannst.“ Auch den Bezug zu internationalen Superstars scheut man nicht: „Das Musikangebot ist so unterschiedlich wie das Styling von Madonna.“ Die kennt wohl auch der Jugendherbergler aus Oberursel.

Er fühlt sich also gut in der Stadt, der „junge Mensch bis 35“, wenn er „Bock auf Berlin“ bei sich trägt. Liest er ihn genau, weiß er, wie er eine günstige Übernachtungsmöglichkeit findet, welche Sehenswürdigkeiten total im Trend liegen und wo er eine warme Mahlzeit bekommt oder vielleicht auch „nur einen Snack“.

Weil fast jeder zweite Berlintourist noch keine 35 Jahre alt ist, wirbt Berlin schon lange mit Heftchen und coolen Sprüchen um die Youngsters: „Berlin 4you“ hieß der Vorgänger von „Bock auf Berlin“. Auf der „You“, der Jugendmesse am Funkturm, wurde „Bock auf Berlin“ 2004 getestet. Die Jugend dort soll die Broschüre angeblich super gefunden haben.

Na gut, könnte man sagen: Teenager, von Hautirritationen und anderen Misslichkeiten geplagt, stehen vielleicht doch drauf, wenn ihr Reiseführer sie voll fett anspricht. Aber zwischen 18 und 35 greift man doch lieber schon zum Baedeker, oder? Wer hat da noch Bock auf die „Bock auf Berlin“-Broschüre? Die BTM zögert, hält sich alle Wege offen, will sich nicht festlegen und setzt genau damit noch ordentlich eins drauf: „Natürlich können auch Ältere den „Bock auf Berlin“-Führer lesen“, heißt es aus dem flotten Betrieb. „Man kann ja nicht sagen, dass man ab 35 nicht mehr jung ist.“

JULIANE GRINGER

Für einen schlappen Euro kann man „Bock auf Berlin“ in den Tourist Info Centern der BTM im Europa-Center, am Brandenburger Tor und im Fernsehturm abfassen