Das Glück summt im Stock

Wer Gerhard Bahn in Rodenkirchen besucht, erfährt so Manches über Bienen. Aber auch Einiges über ihren Besitzer: Imkern macht den Großstadtmenschen nicht nur ruhiger - sondern geradezu glücklich

VON CLAUDIA LEHNEN

Zwei Stockwerke hocken übereinander. Vier Waben unten, vier oben. Ein Abflugbrett schließt sich dem Flur an. Drei Seiten des Hauses sind verglast. Jetzt im Winter hätten es die Bienen geräumig in ihrem Stock. Schließlich wohnen nur rund 10.000, wo sommers bis zu 60.000 hausen. Aber sich über die neu gewonnene Wohnqualität zu freuen, bleibt den Bienen keine Zeit. Es sind emsige Tiere, die sich da im scheinbar wüsten Durcheinander drängen. „Sie heizen gerade“, sagt Gerhard Bahn und deutet auf den glitzernden dunklen Teppich im Bienenhaus, der sich unaufhörlich zu neuen Mustern formiert. Bei 24 Grad, die die Winterbienen allein durch Muskelbewegungen erzeugen, wird es der Königin im Inneren des schwarz-braunen Knäuels auch im Winter niemals kalt.

Seit diesem Winter verfügt der Imkerverband, der ein Schauhaus in der ökosozialen Einrichtung Finkens Garten in Rodenkirchen betreibt, über einen gläsernen Bienenstock. Seitdem kann man die Honighersteller das ganze Jahr über beobachten.

Wenn man Gerhard Bahn, Vorstandsmitglied im Kölner Imkerverein, Hobbyimker und Unternehmensberater, neben den unermüdlich krabbelnden Bienen sieht, dann wirkt er zunächst so wie ein Imker eben wirken muss: Ruhig, gelassen, ein Gesicht, das schon viel Zeit ungeschützt im Freien verbracht hat, rote Finger mit rissigen Kuppen, geeignet zur groben Bastelarbeit.

Die Gelassenheit ist aber erst im Entstehen. Eigentlich, so gibt der Bienenvater selbst zu, sei er ein hektischer Mensch. Er gibt die angelehnte Sitzposition auf, stützt die Hände auf die wippenden Knie und sagt: „Die Bienen zwingen Sie, ruhig zu werden.“ Ein tolles Gefühl sei das, mit den Bienen zu leben, „im Einklang mit der Natur“. Gerade für Großstadtmenschen, die so einen Teil der Ruhe in der Natur wiederfänden.

Doch auch Glückssuchern empfiehlt der Imker, immer der Honigspur zu folgen: „Wenn ich jemandem ein Glas sortenreinen Apfelhonig schenke, dann ist das Glück“, sagt er, springt vom Stuhl auf und umrundet denselben. „Das kommt von innen, verstehen Sie?“ Mit beiden Händen macht Bahn eine Bewegung, als würde er etwas aus seinem Bauch holen und dem Gegenüber präsentieren.

Er ist ein Mensch, der sein Glück teilen möchte, es ist ihm ein Bedürfnis, Besuchern das Wunderbare am Leben mit „zehntausenden Weibern“ wie er die Massen der vornehmlich weiblichen Bienen nennt, nahe zu bringen. „Verstehen Sie?“ ist seine Lieblingsfloskel. Der Mann, der seit zwölf Jahren sein Leben mit Bienen teilt, den „keine Frau von der Imkerei abbringen könnte“, kann sie problemlos an jeden Satz hängen. „Wenn mir ein Volk eingeht, könnte ich heulen, verstehen Sie? Wenn man denkt, man hat alles richtig gemacht und die Varroamilbe befällt eine Brut, dann ist das schrecklich, verstehen Sie?“

Obwohl Bahn auch ein emotionales Verhältnis zu seinen Schützlingen hat, hält er keinen seiner dreizehn Stöcke im heimischen Küchenregal in der Innenstadt. Was einige der 120 Kölner Imker durchaus tun. „Manche halten sich zwei bis drei Völker im Mietshaus auf der Severinstraße“, sagt er. Um die Ernährung der Bienen in der Großstadt muss man sich laut Bahn keine Sorgen machen. Gerade am Rhein fänden die Bienen genug Grün, vor allem Linden, um sich vom Nektar zu ernähren.

Bahn sagt, dass die Honigernte nicht das einzig Gute am Imkern sei. „Der volkswirtschaftliche Nutzen besteht vor allem in der Bestäubung“, erzählt er und seine Augen treten wie hellblaue Glasmurmeln ein wenig aus den Höhlen. Mit der Bestäubung von ganzen Obstplantagen und anderen Kulturpflanzen würden Bienen Milliardenwerte schaffen. Trotzdem weiß Bahn, dass es bei seinen Schausonntagen nicht um hehre Zahlen, sondern den reinen Genuss geht. Deshalb hat er einige Töpfchen zum Probieren aufgestellt. Wenn ein Besucher einen Plastiklöffel in eines der klebrigen Gläser tunkt und sich glitzernde Kristalle auf seiner Zunge bilden, erstirbt Bahns Redefluss. Er guckt gespannt und wartet auf die anerkennenden Worte der Probierer. Vielleicht empfindet er es in diesen Momenten auch, das Glück.

Offene Tür in Finkens Garten ist immer sonntags von 11 bis 17 Uhr, Friedrich-Ebert-Straße 49, Köln-Rodenkirchen