Bruce Springsteen gegen Hillary Clinton

Der Altrocker der Nato heißt Rumsfeld, und der legte in München einen allseits goutierten Auftritt hin. Da kam auch die Senatorin nicht mit

MÜNCHEN taz ■ President COAL-ER, Minister-President STOY-ber, Minister Peter STROOK – so steht es in der Rede von Donald Rumsfeld, damit der US-Verteidigungsminister die Namen all seiner deutschen Gastgeber richtig ausspricht. Und als handle es sich um einen wenig bekannten Ausländer dubioser Herkunft steht in dieser Anrede auch „Secretary-General Ah-NON“. Wenn das keine politische Spitze Rumsfelds ist, ausgerechnet gegen den Friedensfürst der internationalen Politik, Kofi Annan, der auf der Tagung die erstmals vergebene Friedensmedaille erhielt.

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Gipfel der kleinen Bosheiten und der großen Auftritte. Donald Rumsfeld beherrscht beide bis zur Perfektion. Wohl darum liebt ihn die Konferenz und lacht, johlt und klatscht sich bei seinen Showeinlagen über alle, vor allem europäisch-amerikanischen Gegensätze hinweg. Rumsfeld ist der Altrocker unter den Teilnehmern, der Bruce Springsteen der Nato.

Der 77-Jährige spricht über die letzten vierzig Jahre Nato-Geschichte als wär’s seine Familiengeschichte – nein, es ist seine Familiengeschichte. Schon in den 60er-Jahren sass Rumsfeld in Nato-Gremien, diente der Allianz als Botschafter und war unter Präsident Gerald Ford bereits Mitte der 70er-Jahre einmal Pentagon-Chef. Ob’s in München nicht ungemütlich werde, sei er gefragt worden nach all dem Ärger über seine Attacken gegen „Old Europe“. Rumsfeld hält inne. Ach was, habe er geantwortet, „that was Old Rumsfeld“.

Die New-Rumsfeld-Show bestritt er zwar diesmal ohne größere Beleidigungen, an seinem Habitus als Dampfwalze der Freiheit hat sich aber nichts geändert: Wahlen bei den Palästinensern, im Irak und in Afganistan verbuchte er als Erfolg. Libyen ist kein Schurkenstaat mehr, und in der Ukraine gab’s eine Revolution. Wohin der Herr des Pentagon auch blickt, er sieht nur Triumphe, amerikanische versteht sich. Für die verbliebenen Ganoven – im Saal sitzt zwar kein Nordkoreaner, aber immerhin ein Iraner – gibt er den John Wayne von Oberbayern: „They are on the wrong side of history!“

Da kann Hillary Clinton nicht mithalten. Ohnehin sieht der zweite Stargast des Münchner Events leicht mitgenommen aus, die Zuschauer tuscheln von ihrem Schwächeanfall, neulich bei einer Rede in den USA. Doch Frau Clinton will Präsidentin der Vereinigten Staaten werden und hat beschlossen, ihren Grundkurs in Sicherheitspolitik im Hotel Bayerischer Hof zu machen. Eisern sitzt die Senatorin von New York zwei Tage in der ersten Reihe und hört sogar Jürgen Thumann zu, als der BDI-Präsident erzählt, warum wahrer Weltfrieden ohne den Bund der Deutschen Industrie unvorstellbar ist.

In ihrer Rede outete sie sich als treue Unterstützerin von Kofi Annan und des Prinzips multilateraler Konsultationen. Einen Lacher von Rumsfeld’schen Ausmaßen erzielte sie nur mit einem Satz. „Danke, Herr Generalsekretär, dass Sie meinem Mann wieder einen Job gegeben haben.“ Seit Bill die UNO-Fluthilfe koordinieren darf, scheint es, als gehe es der Clinton-Ehe wieder besser.

Trotz braver Gedanken in braver Form dürfte sich für die Senatorin der Auftritt gelohnt haben. Denn längst profitiert nicht nur die Konferenz von ihren Gästen, sondern die Gäste auch von der Konferenz. Wer hier das Plastikkärtchen „TN“ wie Teilnehmer tragen darf, signalisiert seinen ganz persönlichen Anspruch auf die Weltherrschaft.

Grund ist die Generalüberholung der früher überwiegend olivgrünen „Wehrkundetagung“ nach 1989. Während einst auf dem Weg zur Herrentoilette Prospekte zum Kauf von Luftabwehrraketen ermunterten, sind jetzt in den Hotelkorridoren fast mehr Friedensparolen zu lesen als auf den Transparenten vor dem Polizeikordon. Parallel dazu hat sich „Munich“, wie die US-Teilnehmer den Treff kurz nennen, in einen einzigen Laufsteg für außenpolitisches Spitzenpersonal verwandelt.

Einen traurigen Nachmittag erlebte übrigens CDU-Chefin Angela Merkel. Als Tagungsleiter Horst Teltschik ihren Auftritt ankündigte, verließen die internationalen Gäste in Trauben den Saal. Auch Teltschiks Versuche, die Generäle und Minister zur Umkehr zu bewegen („Gentlemen, please be polite!“) fruchteten nicht. „Die kommen nicht zurück, die kommen nicht zurück!“, meldete Teltschik ehrlich entsetzt.

PATRIK SCHWARZ