Ärger mit dem Glückspenis

Ein Netz von Polizisten, die sich Pornografisches, Schlüpfriges und einfach nur Blödes per Mail auf den Dienstcomputer schickten, kundschafteten Ermittler im Sommer aus. „Hysterie“, heißt es nun. Dem Chef fehle das Fingerspitzengefühl

Bremen taz ■ Wenn es um Schlüpfriges im Dienst geht, reagieren der Bremer Polizeichef und der Innensenator seit dem Skandal wegen sexueller Übergriffe auf gefangene Frauen im Polizeigewahrsam hellhörig. Möglicherweise aber nicht sehr hellsichtig – das jedenfalls meinen viele Bremer Polizisten. Unter ihnen gärt es, nachdem die Führungsspitze bei der letzten Personalversammlung im Dezember erneut bekräftigte, gegen private E-Mails auf Dienstcomputern unerbittlich durchgreifen zu wollen – umso mehr, wenn sie sexuell gefärbte, sexistische oder pornografische Inhalte haben. „Wir wollen eine saubere Polizei“, hatte Polizeipräsident Eckard Mordhorst in die Versammlung gesagt. Da liefen in der so genannten Porno-Affäre schon gegen rund 80 BeamtInnen Ermittlungen. Nicht immer mit legalen Mitteln, wie jetzt das Bremer Amtsgericht befand.

„So was sagt der Öffentlichkeit niemand“, ärgern sich Beamte, die glauben zu Unrecht Schlagzeilen wie ‚Porno-Polizei‘ kassiert zu haben – und die von der eigenen Führungsspitze mehr Deckung erwartet hätten. „Fingerspitzengefühl“, nennen sie das und schauen teilweise ungläubig auf die Entwicklung seit vergangenem Sommer. Mindestens fünf Beamten wurde die Beförderung verweigert. Ein dagegen angestrengtes Eilverfahren brachte nicht das erhoffte Ergebnis. Stattdessen urteilte das Verwaltungsgericht: Eine private E-Mail habe auf dem Dienstcomputer nichts zu suchen und berechtige zu Disziplinarmaßnahmen – ohne Ansehen der vermeintlich pornografischen Inhalte. Das war wohl weise.

So traf die Wucht der Ermittler beispielsweise einen langgedienten Beamten, der lediglich eine Mail weiter geschickt hatte. Die hatte ihn in Form eines Kettenbriefes erreicht – vor denen die Polizei ansonsten warnt. Darin wurde ihm unter „Betreff: Wer will das schon riskieren …“ ein mieses Sexleben für 2005 angedroht, würde er die Mail nicht weiter senden. Wie ein pubertäres Schreckensbild, anschaulich, wenn auch kaum pornografisch, zeigte die Skizze auf zwei Zentimetern in schwarz-weißen Strichen, was Verweigerern drohe: Ein Penis in erschlaffter Viertel-vor-12-Stellung. Den Weiter-Mailern dagegen sollte die Kampagne „Glückspenis“ ein gutes Jahr 2005 bringen. Es kam anders.

Dennoch schöpften Bremens ‚Porno-Polizisten‘ kürzlich neueHoffnung: Das Amtsgericht nämlich urteilte, dass die polizeiliche Durchsuchung eines Dienstcomputers, die die Sex-Mail-Affäre ausgelöst hatte, rechtswidrig war. So hätten die Ermittler im Versuch, einen mutmaßlich spielsüchtigen Kollegen der Unterschlagung zu überführen, unerlaubt weitere private Dateien durchstöbert und dabei außerdem das Postgeheimnis verletzt, das auch jene strittigen Privat-Mails schützt. Sogar die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu. Dennoch legte sie inzwischen Widerspruch ein, der Beschluss wurde nicht rechtskräftig. „Dahinter steckt die Politik“, heißt es allenthalben. So eine Schlappe könne der Innensenator nicht hinnehmen.

Juristen unterdessen rätseln, ob der Beschluss – würde er doch noch rechtskräftig – die übrigen Verfahren beeinflussen könnte: „Das ist alles sehr kompliziert.“ Viele Polizisten dagegen fluchen, dass die ganze Angelegenheit vor allem kompliziert gemacht worden sei. „Schweinkram gehört nicht auf den Dienstcomputer“, sind sie mit ihrem Präsidenten einig. Doch sei nicht jeder blöde Scherz gleich Pornografie. Hier müsse unterschieden werden, fordern sie und klagen zugleich über Ungleichbehandlung. Stammen doch viele der E-Mails nachweislich von Kollegen aus Privatunternehmen und anderen öffentlichen Dienststellen – darunter das Amtsgericht, das Gesundheitsamt, die Finanzbehörde, Stadtgrün und die Sozialbehörde. Dass da ähnliche Ermittlungen laufen, hat aber niemand gehört. Eva Rhode