Beten im vorpolitischen Raum

Kirchen in Bayern hoffen mit modernerem Schulgebet dem verstaubten Ritual wieder zu mehr Bedeutung zu verhelfen

MÜNCHEN taz ■ Viele bayerische Lehrer dürfen sich in diesen Tagen auf ein ganz besonderes Paket freuen: Absender sind die katholische und die evangelische Kirche und sie schicken zwei Bücher, mit denen sie dem „Schulgebet einen neuen Anstoß geben“ wollen. Denn das durch die bayerische Verfassung gestützte Gebet vor dem morgendlichen Unterrichtsbeginn wirkt oft ziemlich eingestaubt, wie Jana Gawlas von der Landesschülervertretung sagt: „Alle stehen still und der Lehrer liest etwas vor. Und das meistens nicht mal besonders gut.“

Dass Schüler mit einem solch eher sinnentleerten Ritual kaum zu erreichen sind, findet auch Wieland Röhmel, Pressesprecher des Münchner Erzbistums: „Die Auseinandersetzung mit Religion muss der Lebenswirklichkeit der Schüler entsprechen. Ein Schulgebet kann ich ja zum Beispiel sprechen, singen oder rappen.“ Das bayerische Kultusministerium ist vom Reformgebet begeistert und begrüßt es als hilfreich zur „Herzens- und Charakterbildung“.

Allerdings wollen die bayerischen Kirchen keinesfalls eine christliche Hip-Hop-Offensive starten, sondern vielmehr neue Gebete, Texte und Lieder unter die Pädagogen streuen, die laut Pressemitteilung „kinder- und jugendgemäß“ sein sollen. Was die einzelnen Schulen mit dieser Handreichung anfangen, bleibt ihnen überlassen.

Beim Münchner Erzbistum hofft man laut Röhmel aber auf eine starke Breitenwirkung: „Wir wollen, dass die Institution Schulgebet wieder stärker zur Wertevermittlung beiträgt.“ Letztlich handelt es sich laut Röhmel „um eine Initiative im vorpolitischen Raum“, den die Kirchen wieder mehr für sich in Beschlag nehmen wollen. Dabei will man, sagt der Sprecher, den Zeitgeist für sich nutzen: „Gerade die Konfrontation mit dem Islam zeigt, dass die Bedeutung der Religion wieder wächst.“ Andere Glaubensrichtungen sollen bei dem Modernisierungsversuch nicht vergessen werden: In den neuen Gebeten und Liedern soll auch erklärt werden, wie jüdische und muslimische Kinder ihre Religion leben.

Solche interkulturellen Ansätze begrüßt auch Schülervertreterin Jana Gawlas, die der Stärkung des Schulgebets dennoch skeptisch gegenübersteht: „Die Kirche hat an der Schule grundsätzlich genauso wenig zu suchen wie das Kruzifix im Klassenzimmer.“ JÖRG SCHALLENBERG