Romantik statt Moderne

Sie wird mehr Macht haben als Metzmacher: Simone Young dirigiert in der Musikhalle. Ein Porträt

von Ilja Stephan

Ein Paar Stiefeletten zierte die australische Fan-Webseite zu Ehren von Simone Young – als es die noch gab. Unter der Adresse www.keepsimone.com hatten ihre Verehrer versucht, für Simone Youngs Bleiben an der Sydney-Opera zu werben, als deren drohender Weggang nach Hamburg bekannt wurde. Vergebens. Seit über einem Jahr steht Young nun als designierte Opernchefin der Hamburgischen Staatsoper fest – und ihre Fans in down under haben ihre Domain inzwischen verkauft.

Dass Simone Young, die jetzt in der Musikhalle dirigiert, mit beiden Pfennigabsätzen fest auf dem Boden steht, hatte auch die damalige Kultursenatorin der Hansestadt, Dana Horáková, erfahren müssen. Denn mit der von diversen Intendantenstreitigkeiten gebeutelten und unter Erfolgszwang stehenden Senatorin handelte Young einen Vertrag aus, der ihr eine weitaus größere Machtposition gibt, als sie der jetzige Opernchef Ingo Metzmacher je hatte. Metzmacher steht in Louwrens Langevoort neben einem Geschäftsführer auch ein zumindest nominell mitspracheberechtigter Intendant zur Seite. Frau Young dagegen vereint die Kompetenzen des Generalmusikdirektors und des Intendanten – auch wenn das Wort nicht fällt – auf sich. Ihr Operndirektor Josef Hussek ist nur noch ausführendes Organ.

Und auch wenn sie sich im Vorfeld sehr bedeckt gehalten hat, und für ihren Vorgänger stets nur gute Worte hatte: Dass Simone Young eine ganz andere Repertoirepolitik betreiben wird als Metzmacher, steht fest. Dafür hatte die um Glanz besorgte Senatorin sie schließlich geholt. Denn Young hat sich vor allem mit dem romantischen Repertoire, mit Wagner und mit Strauss profiliert. Sie war Daniel Barenboims Assistentin auf dem Grünen Hügel in Bayreuth und hat als erste Frau an der Wiener Staatsoper dirigiert. So verwundert es nicht, dass sie im derzeitigen Hamburger Opern-Repertoire Werke wie Strauss‘ altmeisterliches Capriccio, Gounods Faust oder Verdis unverwüstliche Aida vermisst. Mehr als alles andere aber fehlt ihr das eine: Wagners Der Ring des Nibelungen.

Neben Wagners Ring – für den die „Wahrscheinlichkeit in ihren ersten fünf Amtsjahren“, sehr hoch sei, wie sie betont, – hat Young angekündigt, auch die Barockopern-Reihe auszubauen und die Zahl der Premieren von zuletzt vier wieder auf fünf heraufzusetzen. Dass man sich aber ganz ohne Neues nicht profilieren kann, scheint auch Young zu wissen: von Hans Werner Henzes jüngster Oper L‘Upupa und Peter Eötvös‘ Opern etwa war für die Zukunft zu hören.

Doch auch auf den anderen Feldern ihrer Tätigkeit hat Young klargestellt, dass sie nicht in einen Anzug passt, der für jemand anderen gemacht wurde. So wird es bei den Philharmonischen Konzerten künftig keine Länderschwerpunkte mehr geben; bei den Silvesterkonzerten wird nicht länger nur 20. Jahrhundert zu hören sein; und auch das Hamburger Musikfest, unter Metzmacher ein reines Festival fürs Zeitgenössische, soll einen anderen Zuschnitt erhalten. Sinnigerweise hat Young hier die Idee einer Brahms-Biennale ab 2006 ins Spiel gebracht – den hat man am Johannes-Brahms-Platz, wo ja die Musikhalle residiert, besonders gern.

Ob all dies in Hamburg tatsächlich Gegenliebe findet, wird man abwarten müssen. Bei ihrem ersten Gastauftritt seit Vertragsunterzeichnung im Dezember 2003 jedenfalls belohnten Publikum und ein außergewöhnlich gut aufgelegtes Philharmonisches Staatsorchester Youngs Interpretation von Bruckners Sechster mit wärmst-möglichem Applaus. Und auch nach ihrem jüngsten Gastdirigat an der Staatsoper in Strauss‘ Die Frau ohne Schatten hatte man den Eindruck, dass die Opernfans die Neue schon fest ins Herz geschlossen haben. Dass Simone Young jedenfalls wild entschlossen ist, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, unterstreicht sie nun demonstrativ mit dem Sonderkonzert des Philharmonischen Staatsorchesters am kommenden Sonnabend: Auf dem Programm stehen Beethovens Siebente und als Ankündigung, Vorgeschmack und Anheizer für Künftiges eine konzertante Suite aus Wagners Der Ring des Nibelungen.

Sonderkonzert des Philharmonischen Staatsorchesters unter Dirigat von Simone Young: So, 20.2., 11 Uhr, Laeiszhalle-Musikhalle