Gelehrtenrepublik Ruhrgebiet

Das neue Wissenschaftsforum Ruhr will Forschungsinstitute vernetzen. Eine Podiumsdiskussion zeigte: Angesichts der Staatsfinanzen müssen Ruhr-Akademiker neue Wege gehen

AUS BOCHUM HOLGER ELFES

Mehr als 100.000 StudentInnen lernen an den Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten der Ruhrregion. 14.000 WissenschaftlerInnen sind hier beschäftigt – mehr als irgendwo sonst in der Bundesrepublik. Dennoch wird die Region kaum als Wissenschaftslandschaft wahrgenommen. Ein Beweggrund für einige außeruniversitäre Forschungsinstitute, das „Wissenschaftsforum Ruhr“ zu gründen und für den Standort zu trommeln. Am Donnerstag lud man zur ersten Podiumsdiskussion nach Bochum.

Im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets ging es also um „Wissenschaftspolitik für das Ruhrgebiet“. Doch leider fehlten die, die die Weichen stellen: NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) und Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen vom Bundesbildungsministerium hatten kurzfristig abgesagt. Stattdessen setzte sich Josef Lange, Wissenschaftsstaatssekretär in Niedersachsen aufs Podium zusammen mit einigen „Elder Statesmen“ der Forschungslandschaft Ruhr.

Dietmar Petzina, ehemals Rektor der Ruhr-Uni Bochum und jetzt Sprecher des Zusammenschlusses, sprach vom Beitrag zum Strukturwandel, den die Wissenschaft zu leisten habe, „um das Ruhrgebiet als international wahrnehmbare Wissenschaftsregion zu etablieren“. Es müsse Schluss sein mit Klein-Klein, stattdessen forderte der Sozialhistoriker eine „enge Vernetzung vorhandener Potenziale“. Rund 20 Mitglieder zählt das Wissenschaftsforum bereits, viele weitere der rund 60 Einrichtungen zeigten Interesse.

Der stärker werdende finanzielle Druck in Zeiten leerer Kassen mag seinen Teil dazu beigetragen haben, dass man jetzt den Schulterschluss sucht. Viele der vorgetragenen Forderungen nach mehr Kooperation auch mit Wirtschaft und Gesellschaft sind nicht neu. Gut möglich, dass sie aufgrund der öffentlichen Haushaltkrise jetzt ernsthafter angegangen werden.

So könnte der große Markt der Weiterbildungsangebote ein Feld bieten, auf dem die Institute in Zukunft Eigeneinnahmen erwirtschaften können: „Wir sehen unsere Stärken in Fragen der interkulturellen Kompetenz“, sagte etwa Jörn Rüsen, Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen. Denkbar, so Rüsen, sei auch die Gründung einer Akademie des Ruhrgebiets mit breit gefächertem Angebot auf hohem Niveau für Fortbildungs-Interessierte.

Zukünftig werde man sich auch auf mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Instituten und Hochschulen einrichten müssen, so der Tenor der Veranstaltung. Einigen der Teilnehmer gefiel diese Vorstellung nicht. Doch Staatsekretär Lange aus dem CDU-Land verteidigte den Trend: „Das ist förderlich für die Qualität in Forschung und Lehre.“ Doch auch für den Staatssekretär sind die Gesetze des Marktes nicht ins Unendliche ausdehnbar: „Forschung ist auch ein Teil der Infrastruktur eines Landes und muss auch so vom Staat gefördert werden.“