Computerprogramme sind für alle da

EU-Parlament und Bundestag opponieren gegen einen Richtlinienentwurf über die Patentierbarkeit von Software. Kritiker fürchten Nachteile für kleinere Firmen und freie Software. Jetzt geht das Verfahren wohl wieder von vorne los

VON JOCHEN SETZER

Nach beinahe drei Jahren Gezerre ist die EU-Richtlinie zur Patentierung von computergestützten Erfindungen wieder am Ausgangspunkt angekommen. Am Donnerstagabend erzielten die Chefs aller Fraktionen im Europaparlament eine Einigung: Sie fordern die EU-Kommission auf, einen neuen Richtlinienvorschlag über Software-Patente vorzulegen. Beinahe zeitgleich verabschiedete der Bundestag einstimmig einen Antrag, der auf Nachbesserungen an dem aktuellen Entwurf pocht. Mit der EU-Richtlinie soll die unterschiedliche Patentierungspraxis in den Mitgliedsländern vereinheitlicht werden.

Weitgehende Einigkeit herrscht über den Schutz computergestützter Innovationen mit einem technischen Beitrag – wie etwa das ABS-System bei Autos. Befürchtet wird allerdings, dass damit zugleich auch Patente auf Scheininnovationen oder abstrakte Geschäftsmodelle legalisiert werden – etwa die Verwendung des allgemein beim Online-Shopping üblichen elektronischen Einkaufswagens. Kritiker prophezeien gar das Ende der Open-Source-Bewegung, die ihre Programme frei ins Netz stellt, und erhebliche Wettbewerbsnachteile für mittelständische IT-Betriebe, sollte die Richtlinie wie geplant durchkommen.

Für den CDU-Abgeordenten Günter Krings steht fest, dass bei dem „peinlichen Spiel um die Richtlinie“ auch die Bundesregierung „eine unrühmliche Rolle gespielt“ habe. Justizministerin Brigitte Zypries hatte im EU-Ministerrat an dem umstrittenen Entwurf mitgewirkt, schwenkte jedoch Ende Dezember um: Der Rats-Kompromiss sei „noch verbesserungsfähig“. Das Ministerium wollte das weitere Verfahren in der EU gestern nicht kommentieren. Jerzy Montag und Grietje Bettin von den Grünen sehen dagegen die Chance, „die Notwendigkeit der Richtlinie erneut zu prüfen“.

Richtig geärgert haben dürfte sich jedoch Microsoft-Gründer Bill Gates. Der hatte laut dänischen Medien noch vor wenigen Tagen eine Drohkulisse für den Fall des Scheiterns der Richtlinie aufgebaut und dem dänischen Regierungschef Anders Rasmussen mit dem Abzug mehrerer hundert Arbeitsplätze gedroht.

Wie es nun in Brüssel weitergeht, blieb gestern unklar. Bindend ist der Beschluss des EU-Parlaments für die Kommission nicht. Während man im Bundesjustizministerium davon ausgeht, dass die Position im Vermittlungsschuss verhandelt wird, glaubt man bei den Europagrünen eher an einen Neustart des Verfahrens. „Es wäre politisch sinnvoll, wenn die Kommission ihren Entwurf zurückzieht, überarbeitet und nochmals in die erste Lesung schickt“, sagte Pressesprecher Helmut Weixler.

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