Speckgürtel wird angefüttert

Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck sieht die Zukunft seines Landes im Berliner Umland. Die bisher vorrangige Förderung der Randregionen soll daher schrumpfen

Herr Platzeck ist ein mutiger Mann. Das muss er auch sein, denn Matthias Platzeck (SPD) ist Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Und darum hat er sich jetzt getraut, was vor ihm kein Politiker wagte. Er hat ein Grundsatzpapier vorgelegt, das den schönen Namen „Das zupackende Land“ trägt und zwischen Perleberg und Bad Liebenwerda noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen wird. Platzeck hat nämlich erkannt, dass Brandenburg „ein Zukunfts- und Chancenland mit großen Potenzialen“ ist, dessen Zukunft aber vor allem im dynamischen Berliner Umland liege. Diese „Metropolenregion“ soll künftig verstärkt gefördert werden. Offiziell gilt bislang noch das Leitbild der so genannten dezentralen Konzentration, wonach vorrangig Randregionen gefördert werden.

Die CDU sieht dem angekündigten Kurswechsel skeptisch entgegen. Die Sozialdemokraten müssten aufpassen, „dass sie nicht von einem Extrem ins andere fallen“, sagt CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek. Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) findet die Idee dagegen Beifall – auch wenn sie nicht ganz neu ist. „Es ist höchste Zeit umzusteuern“, sagt DIW-Ost-Experte Karl Brenke. Das DIW habe schon 1995 in einem Gutachten für die Landesregierung dafür plädiert, nur potenzielle Wachstumskerne zu fördern, die ins Land ausstrahlen. Damals sei man dafür beschimpft worden, so Brenke.

Dass sich Platzeck selbst zehn Jahre später damit nicht nur Freunde machen wird, hat er sich natürlich auch gedacht. Dennoch müsse man die Realität im Lande „ohne Scheu und schlechtes Gewissen“ thematisieren, schreibt er, „auch auf die Gefahr hin, dass dies in Prignitz, Uckermark, Elbe-Elster oder Oberspreewald zunächst nicht ankommt.“ Oder beim Städte- und Gemeindebund Brandenburgs. Dessen Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher warnt: „Wir dürfen jetzt nicht einfach eine Kehrtwende von der dezentralen Konzentration zur reinen Umlandförderung machen.“ Und in der „abgehängten“ Region Prignitz klagt Landrat Hans Lange: „Wir haben hier nie die großzügige Bedienung erfahren.“ In sein Hoheitsgebiet fällt auch Brandenburgs größtes Gewerbegebiet. Allen Anstrengungen zum Trotz sei dieser Park am Rande von Pritzwalk nur zu einem Drittel belegt. „Wenn jetzt auch noch die Förderung wegfallen soll, können wir den Laden dichtmachen.“

Zwar verspricht Platzeck, dass berlinferne Regionen „nicht aufgegeben“ werden. Allerdings enthält sein Papier dazu wenig Konkretes. Er stellt jedoch klar, dass sich die Menschen auch mit dem Bau von Umgehungsstraßen nicht am Wegziehen hindern lassen: „Bildung ist das einzige Versprechen überhaupt, das sich hier politisch geben und einhalten lässt.“

JAN ROSENKRANZ