Schwer im Kommen

Der US-Biomarkt ist auf starkem Wachstumskurs – unter anderem wegen grassierender Fettleibigkeit

Die USA scheinen die Weltrekorde gebucht zu haben, auch diesen: 28 Prozent aller Männer und 34 Prozent aller Frauen sind stark übergewichtig. Mediziner sprechen in diesen Fällen von Fettleibigkeit. Nach Ansicht von Gerald A. Herrmann, Gesellschafter bei dem Münchner Beratungsunternehmen Organic Services, hat dieser Umstand Einfluss auf den US-amerikanischen Biomarkt. Da abzusehen ist, dass das amerikanische Gesundheitswesen die Flut der Dicken kaum finanziell bewältigen kann, dringe das Thema gesunde Ernährung und Bioprodukte verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Doch als Erklärung dafür, dass der US-Biomarkt mittlerweile der weltweit bedeutendste Markt ist, reiche die Verfettung der Amerikaner nicht aus. Dagegen meint Frank Venjakob, Projektmanager bei Nürnberg Global Fairs und Veranstalter der BioFach America, gerade das Thema gesunde Ernährung sorge dafür, dass „Amerika auch in den nächsten Jahren der ‚Markt der ungeahnten Möglichkeiten‘ bleibt“.

Der US-amerikanische Biomarkt boomt seit rund zwei Jahrzehnten mit jährlichen Wachstumsraten von 15 bis 20 Prozent. Im vergangenen Jahr, so Herrmann, hat dieser Markt mit einem Volumen von rund 12 Milliarden Dollar den europäischen Markt mit rund 10 Milliarden hinter sich gelassen. Dabei produzieren die US-Amerikaner Bioprodukte auf einer Fläche von rund 1,5 Millionen Hektar. Dies ist im Grunde nicht viel, wenn man bedenkt, dass allein in Deutschland schon deutlich mehr als 700.000 Hektar Bioflächen bewirtschaftet werden. Der US-amerikanische Biomarkt ist hinsichtlich seiner Fläche unspektakulär. Der hohe Marktumsatz lässt dagegen auf einen hohen Importanteil schließen. Die Größe des Marktes erklärt sich auch durch die Veredelung und Weiterverarbeitung von Rohmaterial, beispielsweise Kaffee. Importiert wird aus vielen Ländern, insbesondere aus Mexiko, Kanada und vielen südamerikanischen Ländern. Werner Schauerte, Leiter eines großen Biomarktes in Berlin, führt die Größe des Biomarktes neben den Importen auch auf klimatische Vorteile zurück. Während in Mittel- und Nordeuropa nur über wenige Monate frische Ware vom Feld komme, sei in den ausgedehnten USA fast ganzjährig Erntezeit.

Getrieben wird der weltgrößte Biomarkt insbesondere von mehreren dominierenden Handelsketten. Diese sind erfolgreich, weil die Verbraucher Ökoprodukte sehr stark nachfragen. Der Handel, so Herrmann, ist stark in Bewegung, was sich in einem ausgeprägten Konzentrationsprozess spiegele. In ländlichen Regionen spielten direkt vermarktende Erzeugergemeinschaften eine größere Rolle.

Weniger wichtig sind nach Angaben von Neil Sorensen, Mitarbeiter bei der International Federation of Organic Agriculture Management, staatliche Unterstützungsprogramme für Bioproduzenten. Die Zentralregierung in Washington hat ein Programm aufgelegt, das Bioproduzenten für bis zu fünf Jahre mit maximal 500 Dollar unterstützt. Und das auch nur in 15 Bundesstaaten. Für europäische Verhältnisse sind Maßnahmen solch geringen Umfangs kaum mehr als Petitessen. Allerdings haben mehrere Bundesstaaten eigene Hilfsprogramme entwickelt.

Die in Deutschland bekannten Naturkostläden spielen laut dem US-Amerikaner Sorensen kaum eine Rolle. Denn in den USA sei es üblich, dass Bioprodukte nur 30 bis 40 Prozent des Sortiments eines Ladens ausmachen. „Der Kunde soll zwischen Ökoprodukten und konventionell hergestellten Lebensmitteln die freie Wahl haben“, sagt Sorensen. Zudem gebe es viele Produkte nicht in einer Ökoversion, beispielsweise Zahnpasta. Amerikanische Kunden würden jedoch vom Geschäft die volle Breite des Sortiments erwarten. Der auf konventionelle Lebensmittel festgelegte Lebensmittelhandel führe meist Ökoprodukte, jedoch nicht in eigens dafür reservierten Regalflächen inklusive einer besonderen Präsentation. Laut Sorensen plant Wal Mart groß ins Geschäft mit Bioprodukten einzusteigen und sich zu einem der bedeutendsten Player zu entwickeln.

Während in Deutschland Bioprodukte seit neuestem einen Imagewechsel hin zum Lifestyleprodukt durchmachen, ist dies in den USA ein alter Hut. Herrmann berichtet von einem großen deutschen Vermarktungsunternehmen für Bioprodukte, das im US-Markt fast gescheitert wäre, weil seine Produkte ein hausbackenes Image ausstrahlten. Dafür diskutiert man in den USA die Frage, wie die „Botschaften“ nachhaltiger Landwirtschaft an den Verbraucher gebracht werden könnten. George Siemon, Gründer der Organic-Valley-Family-Biobetriebe, will Landwirte und Verbraucher über den produzierten Mehrwert in der Biolandwirtschaft aufklären, um den Absatz zu unterstützen. Für Gary Hirshberg, Manager der Firma Stonyfield Farm, ist es das Ziel, Bioprodukte letztendlich allen zugänglich zu machen: „Darin sehen wir unsere Lebensaufgabe.“ RICHARD ROMAN