Dollars sollen’s richten: Moskau kauft sich Einfluss

Russische Großkonzerne wollen in Tadschikistan 1,3 Milliarden Dollar investieren. Im Gegenzug bekommt Moskau eine Militärbasis an der Grenze zu Afghanistan

DUSCHANBE taz ■ Anfang Oktober 2004 schloss der tadschikische Präsident Rachmonow einen Jahrhundertdeal für die verarmte Gebirgsrepublik. Rusal, der größte russische Aluminiumkonzern, sowie der Stromkonzern RAO EES unterschrieben Investitionszusagen über 1,3 Milliarden US-Dollar. Die sollen über acht Jahre in den Ausbau von Wasserkraftwerken und Aluminiumfabriken in die einstige Sowjetrepublik fließen. Bisher erwirtschaftet Tadschikistan mit seinen sechs Millionen Einwohnern gerade mal ein jährliches Bruttosozialprodukt von vier Milliarden Dollar.

Als Draufgabe zu dem Geschäft erließ Moskau dem zentralasiatischen Staat 300 Millionen Dollar Schulden. Natürlich nicht ohne Gegenleistung: Russland darf eine ständige Militärbasis in Tadschikistan errichten, zudem das Weltraumteleskop Okno (Fenster) in Nurek auf unbestimmte Zeit nutzen. Binnen Jahresfrist wird Moskau die Verantwortung für die 1.200 Kilometer lange tadschikisch-afghanische Grenze den tadschikischen Grenztruppen übergeben, jedoch ein Beraterteam von 200 Grenzsoldaten in Duschanbe stationiert lassen.

In keinem anderen Staat Zentralasiens waren die Russen nach dem Zerfall der Sowjetunion so präsent wie in Tadschikistan. Während des Bürgerkrieges 1992 bis 1997 unterstützte die im Süden Tadschikistans stationierte russische Armee die Volksfront gegen die Vereinigte Tadschikische Opposition und hievte Rachmonow ins Präsidentenamt. Die Grenze zu Afghanistan stand weiter unter dem Kommando der russischen Grenztruppen. Als die USA nach dem 11. September 2001 versuchten, ihren politischen Einfluss in Zentralasien zu vergrößern, versuchte sich Rachmonow langsam von Moskau zu lösen. Russland reagierte mit Zuckerbrot und Peitsche: Man wies Duschanbe delikat darauf hin, dass man für Tadschikistan eine Visumspflicht einführen könnte. Eine sehr ernst zu nehmende Drohung. Denn laut Schätzungen verdienen bis zu 800.000 Tadschiken meist illegal in Russland ihr Geld. Nach Schätzungen der Weltbank überweisen sie jährlich bis 400 Millionen Dollar in ihr Heimatland. Würden wegen einer Visumspflicht die Tadschiken aus Russland ausgewiesen, bräche die Wirtschaft der Republik zusammen.

Doch so weit ist es nicht gekommen. Präsident Putin konnte – dank der hohen Rohstoffpreise – erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion mit Geld locken: Das milliardenschwere Investitionsversprechen von Rusal und RAO EES trieb Tadschikistan endgültig zurück in Russlands Arme.

Rusal will nun mehr als 350 Millionen Dollar in den Weiterbau des Wasserkraftwerkes Rangoon, 110 Kilometer östlich von Duschanbe, investieren. Bis 2010 sollen dort die ersten zwei Turbinen mit einer Leistung von vier Milliarden Kilowattstunden jährlich fertig gestellt werden. 1976 hatte die Sowjetunion dort mit dem Bau eines der weltweit größten Kraftwerke am Oberlauf des Warschs begonnen. Der Zerfall der Sowjetunion und der folgende Bürgerkrieg stoppten den Bau. Die zwei Turbinen warten seit 15 Jahren auf Installation. Zugleich plant Rusal, mit 750 Millionen Dollar bis 2013 zwei neue Aluminiumfabriken zu errichten und die bisherige tadschikische Aluminiumfabrik auszubauen. 300.000 Tonnen Aluminium sollen jährlich produziert werden, den Strom dafür soll Rangoon liefern. Hinzu käme noch ein kleineres Wasserkraftwerk am Unterlauf des Warschs, Investitionssumme: 200 Millionen Dollar.

Sollten all diese Projekte realisiert werden, wäre Tadschikistan nicht nur seine Energiesorgen los, sondern könnte auch noch Strom verkaufen. Laut einer Weltbank-Studie verfügt das wasserreiche und gebirgige Land über ideale Bedingungen für Wasserkraftwerke. Investitionen in diesen Sektor würden sich langfristig rechnen, wenn der produzierte Strom auch Abnehmer findet. Und das setzt politische Stabilität voraus. MARCUS BENSMANN