ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Ein iranisches Meisterwerk

Ich hoffe, dass der Roman nach den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni die Genehmigung zur Veröffentlichung bekommt“, sagte der iranische Schriftsteller Mahmud Doulatabadi im Gespräch mit der NZZ aus Zürich. Auf Deutsch war der Roman „Der Colonel“ da gerade erschienen (Unionsverlag, Mai 2009, Übersetzung und Nachwort von Bahman Nirumand).

Große Hoffnung braucht er sich nun wahrscheinlich nicht mehr zu machen. Ajatollah Ali Chamenei und der Wächterrat halten Mahmud Ahmadinedschad mit Waffengewalt im Präsidentenamt, Mussawi und das Reformlager sind vorerst unterlegen. Doulatabadis Roman wird so weiterhin im Iran nicht erscheinen können.

„Der Colonel“ ist ein düsteres, nicht leicht zu lesendes Werk. Doulatabadi erhebt den Anspruch, literarisch in der Tradition der persischen Klassik zu stehen. In „Der Colonel“ verdichtet er das iranische Drama in einer düsteren Teheraner Regennacht und in der Person des Colonels, einem früheren Offizier der Schah-Armee. Doulatabadis Roman ist ein Dokument für das iranische Desaster, eine brutale Erzählung von Menschen, die wie in Trance agieren. Eine Familie, die vom negativen Lauf der Geschichte zermalmt wurde.

Doulatabadi erzählt, wie sich privates und gesellschaftliches Unglück im Iran nach 1979 miteinander unheilvoll verstrickten. Die Individuen in seinem Roman wirken zertrümmert, persönliche Hoffnung und Würde haben sie verloren.

In „Der Colonel“ kreuzen sich die Wege von Kommunisten und Islamisten, Schah-Anhängern und Revolutionswächtern. Eine abstrakte, bleierne Höflichkeit durchzieht ihre Handlungen, eine Menschlichkeit, die banalisiert und ohne tatsächlichen Humanismus erscheint.

Die Zensurbehörde sagt übrigens zu Doulatabadis „Colonel“, „es sei ein Meisterwerk, aus dem man unmöglich etwas streichen könne“.

■ Der Autor leitet das taz-Kulturressort Foto: privat