„Das Söldnerwesen ist ein Trainingsfeld für Extremisten“

DEUTSCHE SÖLDNER Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, was ehemalige Bundeswehrsoldaten im Auftrag privater Militärfirmen treiben

■ heißt jetzt Franz Feyder, ist Politologe und Journalist. Er berichtete für ARD und ZDF aus Irak und Afghanistan.

■ Franz Hutsch: „Exportschlager Tod. Söldner als Handlanger des Krieges“. Econ, Berlin 2009, 288 Seiten, 18,90 Euro Foto: M. Mondorf

taz: Herr Hutsch, es ist wenig über deutsche Söldnerfirmen bekannt. Sicher aber ist, dass es deutsche Söldner gibt. Wo arbeiten die und bei wem?

Franz Hutsch: Die arbeiten freiberuflich mal hier, mal dort. Manchmal haben sie acht oder neun Arbeitgeber pro Woche. Ein Beispiel, das ich selbst in Afghanistan erlebt habe: Ein Söldner bringt für das US-amerikanische Unternehmen Blackwater einen Transport von Karatschi nach Kabul, sichert dann für eine britische Firma einen Transport von Kabul nach Kandahar. In Kandahar arbeitet er zwei Tage für die ebenfalls US-amerikanische Sicherheitsfirma DynCorp als Polizeiausbilder und fährt anschließend für eine vierte Firma zurück nach Kabul. Die privaten Militärfirmen haben richtige Setcards – wie bei Models – von diesen Leuten, auf denen ihre Fähigkeiten und Handynummern stehen.

Wie viele deutsche Söldner gibt es?

Das ist nur ganz schwer festzustellen. Die Leute selbst sprechen von rund 4.000, doch das beruht auf Schätzungen. Der einzige objektive Anhaltspunkt ist die Auskunft der Bundeswehr darüber, wie vielen ihrer Soldaten sie Fördermaßnahmen zum Berufswechsel ins Sicherheitsgewerbe finanziert. Hier hatten wir in drei Jahren einen Anstieg um 85 Prozent. 2008 wurden 1.731 solcher Maßnahmen bezahlt – wie zum Beispiel Fortbildungen bei der International Security School in Israel. Da werden die Leute nicht zu Disko-Rausschmeißern ausgebildet, sondern zu Söldnern.

Sie machen die Bundesregierung für das, was deutsche Söldner machen, mit verantwortlich. Ist nicht jeder frei, sich seinen Arbeitgeber in aller Welt selbst zu suchen?

Grundsätzlich ist er das. Aber wenn das Söldnerwesen sich in einer straf- und völkerrechtlichen Grauzone entwickelt, dann trägt auch die deutsche Bundesregierung dafür mit Verantwortung. Es sind ehemalige Soldaten und Polizisten, die als Söldner die Politik der Bundesregierung konterkarieren. Die ehemaligen Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols durchbrechen es im Auftrag privater Militärfirmen, gestalten eine Außenpolitik an der Regierung vorbei. Das ist ein Politikum.

Geben Sie ein Beispiel, bitte.

Da ist der Mann, den ich in meinem Buch Cornelius nenne: Ein ehemaliger deutscher Fallschirmjäger nahm im November 2001 in Afghanistan im Auftrag des Warlords General Dostum an der Erschießung und Ermordung von 3.500 mutmaßlichen Taliban teil. Das war ein Kriegsverbrechen, das vermutlich strafrechtlich ungesühnt bleibt, das die Bundesregierung aber nicht billigen kann.

Aber ist es nicht auch ein Fortschritt, wenn gut bezahlte Geschäftsleute ohne nationalistische Durchhalteparolen und ohne vermeintlich übergeordnete Zwecke eingesetzt werden können?

Es wäre ein Fortschritt, wenn es denn so wäre. Doch es ist problematisch, wenn Privatiers Frieden stiften sollen. Da macht man den Brandstifter zum Feuerwehrmann. Er wird seinen Arbeitsplatz kaum wegrationalisieren wollen, hat also kein echtes Interesse am Frieden. Das Söldnerwesen ist ein Trainingsfeld für Extremisten. Das haben wir auch auf dem Balkan gesehen, wo plötzlich Rechtsextremisten mit Kalaschnikows auftauchten. Islamistische Terrororganisationen suchen unter den Söldnern nach Konvertiten. Solchen Leuten überlassen wir gegenwärtig das Feld. INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN