Offensive gegen die Zuckerbarone

Überraschende Allianz aus Rübenbauern und NGOs in Österreich fordert Exportstopp für subventionierten Zucker

WIEN taz ■ Landwirte und entwicklungspolitische Organisationen verfolgen in der Regel unterschiedliche Interessen. Umso bemerkenswerter ist eine gemeinsame Initiative der österreichischen Rübenbauern und der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungspolitik (AGEZ), der die wichtigsten einschlägigen NGOs angehören. Sie wenden sich gegen die schrankenlose Öffnung der Zuckermärkte, wie sie von der EU-Kommission geplant und von der Weltbank gefordert wird.

Im vergangenen Sommer hat die EU-Kommission einen Reformvorschlag der Zuckermarktordnung (ZMO) vorgelegt, der vorsieht, die Preise um ein Drittel und die Produktion um ein Sechstel zu reduzieren. Derzeit darf jedes EU-Mitgliedsland eine bestimmte Menge an Zucker produzieren. Die Landwirte bekommen einen Preis deutlich über Weltmarktniveau. Darüber hinaus gehende Mengen müssen billiger angeboten werden.

AGEZ und Rübenbauern fordern jetzt die völlige Einstellung des Exports von subventioniertem Zucker. Gleichzeitig sei der Marktzugang für die am wenigsten entwickelten Länder zu verbessern und die Quoten der AKP-Länder (Staaten in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, die nach dem Lomé-Abkommen Zollpräferenzen genießen) nach Bedürftigkeit neu auszuhandeln. In der EU seien vor allem bäuerliche Familienbetriebe in Hinblick auf die Rückkehr zu einem ökologisch nachhaltigen Agrarsystem zu fördern.

Der Weltmarktpreis ist niedrig und bleibt es wohl auch, weil Brasilien, das Zucker besonders billig herstellen kann, offensiv die Produktion ausweitet und so den Weltmarkt unter Druck setzt. „Eine Reform, die in erster Linie den Zuckerbaronen in Brasilien nützt, die aggressiv Menschen und Umwelt ausbeuten, kann wohl kaum als Entwicklungshilfe werden“, kritisiert Rudolf Remler-Schöberl von der AGEZ. Jede Begründung, die sich auf Armutsbekämpfung beruft, habe sich daran zu messen, ob die Maßnahmen einen effektiven Beitrag zur Verbesserung der katastrophalen Arbeitsbedingungen der Zuckerrohrarbeiter in den Entwicklungsländern leisten.

Hermann Schultes, Präsident der österreichischen Rübenbauernvereinigung, kann dem nur zustimmen. Der Kommissions-Vorschlag hat für ihn viele Verlierer: „Die Bauern in den Entwicklungsländern, die europäischen Bauern und die Steuerzahler“. Das Konzept öffnet nämlich Umgehungsgeschäften Tür und Tor: Arme Länder würden ihren Rohzucker zu Quotenpreisen auf den europäischen Markt werfen und ihren Eigenkonsum durch Importe aus Brasilien decken. Sie würden ebenso wie die europäischen Länder ihre Eigenversorgung nach und nach aufgeben. Schultes: „Wir begeben uns in eine unkalkulierbare Abhängigkeit bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln.“

RALF LEONHARD