Ein Mahnmal des Streits für die Opfer

Der Zentralrat der Roma und Sinti zankt mit Opfergruppen und der Regierung, ob auf einem Gedenkbrunnen für Opfer des Naziregimes „Zigeuner“ stehen darf. Kulturstaatsministerin Weiss baut notfalls ein Denkmal mit unleserlicher Widmung

VON SASCHA TEGTMEIER

Als würde auf dem Grab von Martin Luther King das Wort „Nigger“ stehen. Mit diesem Vergleich wehrte sich gestern der Vorsitzende des Zentralrats der Roma und Sinti, Romani Rose, erneut gegen den Begriff „Zigeuner“ – den möchte die Bundesregierung gern im Widmungstext des geplanten Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus lesen.

Die Verhandlungen zwischen Rose und Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) um den Wortlaut der Widmung sind gestern erneut gescheitert. Nach dem Gespräch im Bundeskanzleramt nahm der Ratsvorsitzende nicht an der ursprünglich gemeinsam geplanten Pressekonferenz teil. Trotz des Streits soll das bereits 2003 beschlossene Mahnmal zwischen Reichstag und Brandenburger Tor nach einem Entwurf des israelischen Künstlers Dani Karavan errichtet werden. Die zwei Millionen Euro für den Gedenkbrunnen stehen längst bereit. Laut Weiss werde „innerhalb eines Jahres“ mit den Bauarbeiten begonnen – mit oder ohne Inschrift. „Die Alternative ist, ein Denkmal zu errichten, das eine Inschrift trägt, die nicht lesbar ist“, sagte Weiss. Dazu würde eine Dokumentation der Debatte gestellt.

An dieser Notlösung ist wohl niemandem wirklich gelegen. Doch nachdem Rose den Kompromissvorschlag von Weiss mit Vehemenz ablehnte, wird ein inschriftloses Denkmal immer wahrscheinlicher. Weiss hatte dem Zentralrat einen Widmungstext präsentiert, der den ursprünglichen Vorschlag der Bundestagsfraktionen leicht abändert: „Wir gedenken aller Sinti und Roma, die von den Nationalsozialsten als Zigeuner (…) verfolgt und ermordet wurden“, heißt es darin. Den Begriff „Zigeuner“ möchte Rose jedoch in keinerlei Formulierung auf dem Mahnmal lesen. Er sei eine „Beleidigung und Diffamierung“.

„Es gab kein Entgegenkommen des Zentralrats, was diesen Satz betrifft“, kommentierte Weiss die Position Roses. Sie fordert nun die Opfergruppen auf, einen neuen Vorschlag einzureichen. Ein solcher gemeinsamer Textentwurf dürfte jedoch schwierig werden. Denn die zweite Opfervertretung, die „Sinti-Allianz“, ist mit dem Zentralrat zerstritten. Die Allianz ist ausdrücklich für den Begriff Zigeuner – das sei die Eigenbezeichnung. Zudem würden, so die Vorsitzende Natascha Winter, nicht alle Volksgruppen mit der Bezeichnung „Sinti und Roma“ erfasst. Das sind beispielsweise die Lalleri und Manusch. Zu den Verhandlungen gestern war die Sinti-Allianz nicht eingeladen. „Es ist im Augenblick nicht möglich, beide Gruppen einzuladen“, sagte Weiss dazu.

Kompromisslos zeigte sich der Vorsitzende des Zentralrats auch bei einem weiteren Streitpunkt. Der Zentralrat möchte in dem Widmungsgtext eine Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zitieren, in der die Verfolgung der Sinti und Roma mit der Vernichtung der Juden gleichgesetzt wird. Weiss schließt sich dagegen jenen Historikern an, die diesen Vergleich nicht für angemessen halten. In ihrem Textvorschlag versuchte sie diesem Anliegen trotzdem zu entsprechen. „Wir trauern um die Opfer dieses systematisch geplanten Völkermordes“, heißt es. Dem Zentralrat reicht das jedoch nicht. „Wir können nicht mehr auf den Herzog-Text verzichten“, sagte Rose.

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