Freudenfeiern in Beiruts Straßen

Nach dem Rücktritt der libanesischen Regierung berät die Opposition heute über ihr weiteres Vorgehen. Sie fordert ein neutrales Übergangskabinett mit Vertretern aller politischen Kräfte. Dann soll Syriens Einfluss zurückgedrängt werden

AUS BEIRUTALFRED HACKENSBERGER

Bis in den frühen Morgen haben gestern in Beirut die Menschen auf der Straße und zu Hause vor den Fernsehern den Rücktritt von Premierminister Omar Karami und seinem Kabinett gefeiert. „Das Volk war siegreich“, erklärte die Galionsfigur der Opposition, Walid Dschumblatt. Doch von einem Sieg kann noch lange nicht gesprochen werden. „Der Fall der Regierung“, schrieb die Tageszeitung Al-Mustakbal, die dem ermordeten ehemaligen Regierungschef Rafik Hariri gehörte, „bedeutet nicht das Ende des Straße. Wir müssen das Regime stürzen, das solche Regierungen entstehen lässt und uns unseres Rechts auf Selbstbestimmung beraubt.“

Noch residiert Staatspräsident Emil Lahoud, ein treuer Gefolgsmann von Syrien, in Beirut. Er hat die Aufgabe, einen neuen Premierminister zu benennen, der laut Verfassung ein Sunnit sein muss. Die Ernennung eines Regierungschefs und eines neuen Kabinetts kann Wochen dauern. Und wer hält Lahoud davon ab, einen neuen prosyrischen Mann bis zu den im Mai anstehenden Parlamentswahlen zu bestimmen? Man könnte den Rücktritt der Regierung durchaus als cleveren Schachzug verstehen, der Massenbewegung erst einmal den Wind aus den Segeln zu nehmen.

„Wir werden alles tun, um das zu verhindern“, erklärte Walid Dschumblatt gegenüber der taz in seiner Residenz Muktara in den Chouf-Bergen, wo er sich derzeit aus Sicherheitsgründen aufhält. „Gerade jetzt ist es sehr gefährlich“, sagte der Drusenführer. „Aber wir werden jetzt nicht auf halbem Weg aufgeben.“

Heute Nachmittag wird sich in Beirut die Opposition treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Fest steht bereits, dass sie eine „neutrale Übergangsregierung“ fordern wird, in der alle politischen Kräfte des Landes beteiligt sind. „Auch die Hisbollah“, fügte Dschumblatt hinzu, „da sie ein wichtiger Bestandteil der libanesischen Gesellschaft ist.“

Dschumblatt hatte in den letzten Tagen vergeblich versucht, die schiitische libanesische Widerstandsbewegung in das Oppositionsbündnis zu integrieren. Für die Mehrheit der Opposition im Parlament sind die 12 Hisbollah-Abgeordneten unabdingbar.

Die Opposition hofft, mit einer von der Mehrheit des Parlaments getragenen Regierung den Oberstaatsanwalt, den Chef des Geheimdienstes und der Staatssicherheit absetzen zu können. Damit wäre die Zusammenarbeit mit den syrischen Geheimdiensten und Behörden gekappt. Der Weg wäre frei für „vom Ausland unbeeinflusste Parlamentswahlen“.

Doch auch bei Wahlen ohne syrischen Einfluss kann von demokratischer Partizipation nicht gesprochen werden. Die Sitze im Parlament werden nach wie vor durch Religionszugehörigkeit vergeben. Die ehemaligen Warlords des Bürgerkriegs bestimmen noch immer die Parteien, das Land ist nach Claninteressen aufgeteilt, und wer ganz oben als Kandidat auf einer Wahlliste stehen will, muss bis zu 500.000 Dollar an Wahlkampfbeteiligung flüssig machen.